München-Kalender:Das Jahr in Bildern

Lesezeit: 6 min

Ein Still von Mai Qiao Wans Hologramm "Where will the wind be starting" ist auf dem Mai-Blatt des LfA-Kunstkalenders zu sehen. (Foto: Wilfried Petzi)

Die Geschichte der Medizin, Industriekultur, neue Kunst, Gedichte und Comicbilder: In den neuen Kalendern 2023 erfährt man viel Wissenswertes über München.

Von SZ-Autorinnen und -Autoren

Sinnbilder unserer Zeit

Schon bei der Jahresausstellung der Münchner Kunstakademie zog sie am Eingang der Alten Aula alle Blicke auf sich: die Hologramm-Projektion "Where will the wind be starting" von Qiao Wan. Die seltsame, nackte Gestalt in embryonaler Haltung mit dem wie ein Visier gerasterten Gesicht schwebte über den Köpfen der Betrachter auf einem 3-D-Fächer, wiegte sich zu sphärischen Tönen vor und zurück, löste sich auf, setzte sich wieder zusammen. Sie schien wie ein Sinnbild unserer zweifelnden und verzweifelnden (post-)pandemischen Zeit. Eine moderne Version des Denkers Rodin'scher Prägung. Nun ist ein Still aus der Videoarbeit als Motiv auf dem Mai-Blatt des Kunstkalenders "Next Generation" der LfA Förderbank Bayern zu sehen. Es ist der nunmehr 27. Jahrgang dieses Kunstkalenders, der von Studierenden der Kunstakademien in München und Nürnberg gestaltet wird. Zwölf Motive, die Malerei, Grafik und Skulptur, Fotografie, Videokunst und Installation zeigen. Auch digital gibt es den LfA-Kalender seit einigen Jahren, dazu auf der Website viele Informationen über die Künstler und ihre Werke sowie Making-of-Videos. Evelyn Vogel

YouTube

Die SZ-Redaktion hat diesen Artikel mit einem Inhalt von YouTube angereichert

Um Ihre Daten zu schützen, wurde er nicht ohne Ihre Zustimmung geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir Inhalte von YouTube angezeigt werden. Damit werden personenbezogene Daten an den Betreiber des Portals zur Nutzungsanalyse übermittelt. Mehr Informationen und eine Widerrufsmöglichkeit finden Sie untersz.de/datenschutz.

Next Generation, LfA-Kunstkalender, lfa.de/kalender

Industriestadt München

Die Papierfabrik zwischen dem Auer Mühlbach und dem Kegelhofbach. Heute ist dort eine Wohnanlage der GWG untergebracht. (Foto: Franz Schiermeier Verlag/Stadtarchiv München)

Der Glaspalast, der Flughafen auf dem Oberwiesenfeld, die Kautschukwaren-Fabrik Metzeler in der Schwanthalerstraße- alles längst weg. So viel Industrie ist aus München verschwunden, und damit auch die Erinnerung daran, dass die Stadt um 1900 sogar der größte Industriestandort in Bayern war. Der "Arbeitskreis Industriekultur im Archiv der Münchner Arbeiterbewegung" will dazu beitragen, dass das Bewusstsein für dieses Stück Münchner Geschichte nicht gänzlich verloren geht. Vor einem Jahr hat er dazu das Buch "Industriekultur in München - zwischen Abriss und Bewahren" herausgebracht mit 300 Abbildungen ehemaliger, aber auch noch erhaltener Industriegebäude. Nun gibt es auch einen Kalender zum Thema, der einen weiten Bogen schlägt von alten Fabriken zu den heutigen Resten von Industriekultur, vom neuen Gasteig bis zu historischen Ausflugsfahrten auf der Isar, von Postlerwohnungen in Neuhausen bis zur Papierfabrik in der Au. Ein spannendes Stück Münchner Zeitgeschichte, verteilt auf zwölf großformatige Kalenderblätter. Ariane Witzig

Industriekultur in München - zwischen Abriss und Bewahren, Buch 32,50 Euro, Kalender 15 Euro, Franz-Schiermeier-Verlag, stadtatlas-muenchen.de

Geschichte der Medizin

In der Gebäranstalt konnten Frauen Mitte des 19. Jahrhunderts, betreut von Ärzten und Hebammen, ihre unehelichen Kinder zur Welt bringen. (Foto: Münchner Stadtarchiv)

Mitte des 19. Jahrhunderts kam fast die Hälfte der Kinder im Raum München unehelich zur Welt, oft waren die Mütter damit überfordert. In der damals sogenannten Gebäranstalt konnten sie, betreut von Hebammen und Ärzten, ihre Kinder zu Welt bringen. Nach 1900 wurde die Klinik dann wegen schlechter hygienischer Verhältnisse geschlossen - als Ersatz entstand die neue Frauenklinik an der Maistraße. Eine von vielen Geschichten, die man im Kalender "Kliniken im Viertel" der Geschichtswerkstatt Ludwigsvorstadt-Isarvorstadt, herausgegeben von Franz Schiermeier, finden kann. Der Kalender erzählt mit vielen Fotos und Bildern die Historie der Münchner Kliniken von der Uniklinik über das Pettenkofer-Institut und der Psychiatrischen Klinik bis zum Pathologischen Institut. Darüber hinaus erfährt man viel Spannendes über die Geschichte der Medizin und der Krankenpflege in München, angereichert mit Porträts berühmter Ärztinnen und Ärzte. Herausgegeben wurde er anlässlich des 550. Jahrestag der Gründung der Ludwig-Maximilians-Universität München. Ariane Witzig

Kliniken im Viertel, Franz-Schiermeier-Verlag, 15 Euro, stadtatlas-muenchen.de

Freude an Gedichten

Mit Friedrich Hagedorn oder Mascha Kaléko durchs Jahr: der "C.H.Beck Gedichtekalender". (Foto: C.H. Beck)

"An die Freude" heißt ein Gedicht von Friedrich Hagedorn; dass es auf dem Titel des "C.H. Beck Gedichtekalenders" 2023 zu finden ist, wurde von Herausgeber Dirk von Petersdorff sicher mit Bedacht gesetzt. Begonnen hat die Geschichte des Kalenders, der ursprünglich den Namen "Kleiner Bruder" trug, einst bei Langewiesche-Brandt in Ebenhausen; C.H. Beck führt die Tradition fort. Wieder hält der Kalender eine gute Balance - mit ebenso feinen Pinsel-Vignetten - von mittelalterlichen bis zu zeitgenössischen Gedichten. Mit Walther von der Vogelweide oder Friedrich Hölderlin bis zu Harald Hartung oder Barbara Köhler geht es durchs Jahr, aber auch mit Mozart oder Marlene Dietrich. Und so sehr in manchem Text die Freude beschworen wird, hängen bleibt doch auch das wohl kürzeste Gedicht, "Das Schiff" von Marie von Ebner-Eschenbach: "Das eilende Schiff, es kommt durch die Wogen / wie Sturmwind geflogen; / voll Jubel ertönt's vom Mast und vom Kiele: / ,Wir nahen dem Ziele!' / Der Fährmann am Steuer spricht traurig und leise: / ,Wir segeln im Kreise.'" Antje Weber

"C.H.Beck Gedichtekalender", München, 20 Euro, Bestellung über den Buchhandel oder bestellung@beck.de

Mit Worten abheben

Der Zilpzalp-Kalender 2023: Hier ein Linolschnitt von Oskar Mankau. (Foto: Zilpzalp)

"Das Nichtwort / ausgespannt / zwischen / Wort und Wort." Diese Zeilen Hilde Domins zieren das Titelblatt des Gedichtekalenders "Zilpzalp", der für 2023 wieder von der Stiftung Lyrik Kabinett herausgegeben wird und besonders strahlend gelb daherkommt. Die 24 Gedichte, die in einer schönen Tradition Schüler des Murnauer Gymnasiums unter Leitung von Norbert Neumann auswählen und mit Illustrationen wie Linolschnitten anreichern, umfassen diesmal besonders viele klingende Namen aus dem 20. Jahrhundert: Von Gottfried Benn über Wolfgang Bächler bis zu Thomas Brasch, von Marie Luise Kaschnitz bis zu Friederike Mayröcker reicht die Bandbreite, daneben sind auch einige Klassiker wie Eduard Mörike zu finden. Und um zunächst gut durch den Winter zu kommen, kann man sich vielleicht mit Zeilen aus dem Februar-Gedicht Ernst Stadlers begleiten lassen: "Dein Schritt ist wie ein fremder Traum an meiner Seite -/ Nun rieseln weiße Flocken unsre Sehnsucht ein." Antje Weber

"Zilpzalp-Gedichtekalender", Stiftung Lyrik Kabinett, 12 Euro, Bestellungen über den Buchhandel oder info@lyrik-kabinett.de

Welt aufblättern

Das kleine Mädchen in María José Ferradas Gedicht weiß es genau: Auch wenn ihr Opa nicht mehr da ist, kommt er doch gelegentlich als Hirsch ins Haus. (Foto: Illustration: Andrés López/Internationale Jugendbibliothek/Moritz Verlag)

Seit 2011 gibt die Internationale Jugendbibliothek ihren Literatur-Entdecker-Kalender für Kinder heraus, prall gefüllt mit 53 lustigen und nachdenklichen, albernen und geistreichen, gereimten und ungereimten Gedichten, ausgewählt von den Lektoren aus dem Kinderbuchfundus der IJB. Jede Woche können Kinder und Erwachsene neue Gedichte aus 34 Ländern entdecken, die jeweils in der Originalsprache mit der Originalillustration und der deutschen Übersetzung abgedruckt sind. Sie handeln von Löwen, Drachen, Zauberern und lächelnden Skeletten, erzählen von Ausflügen auf Staubsaugern und märchenhaften Verwandlungen. So huscht in der Fantasie eines kleines Mädchens in dem Gedicht der chilenischen Autorin María José Ferrada manchmal ein Hirsch durchs Haus und erinnert sie an ihren Opa: "Seit er nicht mehr da ist, ist er ein Hirsch / Und in dieser Gestalt kommt er uns manchmal besuchen." Im Laufe eines Jahres erblättert man sich von Kalenderblatt zu Kalenderblatt ein poetisches Potpourri, zusammengesetzt aus Stimmen und Bildern aus der ganzen Welt. Ein zauberhafter Lyrik-Kosmos nicht nur für Kinder. Barbara Hordych

Der Kinder Kalender 2023, herausgegeben von der Internationalen Jugendbibliothek, Moritz Verlag

Der Bildhauer als Reiter

Fritz Koenig porträtierte seinen geliebten Hengst Nuri Schalan (Bronze, 1973) mehrmals. Auf ihm ritt er auch bei der Landshuter Hochzeit mit. (Foto: Toni Ott)

Sechs Jahre ist der Bildhauer Fritz Koenig alt, als er den Festzug der Landshuter Fürstenhochzeit 1930 zum ersten Mal erlebt und mit dem Bleistift festhält. Erstaunlich, dass die kleinen Zeichnungen die Jahrzehnte überdauert haben. Jetzt schmücken sie das Februar-Blatt des Kalenders, den der Freundeskreis Fritz Koenig alljährlich herausgibt. 2023 widmet er sich der lebenslangen Beziehung des Künstlers zur Landshuter Hochzeit. 1950 gewinnt der junge Bildhauer den Wettbewerb für das Festzeichen. Später reiten er und seine Frau Maria erst in der Gruppe der berittenen Polen mit, dann im fahrenden Volk. Natürlich auf den eigenen Araberpferden, die sie auf dem Ganslberg züchten. Sabine Reithmaier

Reiten! Fritz Koenig und die Landshuter Hochzeit, 19,50 Euro, Bestellungen unter www.freunde-fritz-koenig.de/publikationen .

Allerlei Spitzfindigkeiten

Der Münchner Künstler Nicolai Sarafov macht jedes Jahr comicartige Kalender, die es auf seiner Webseite zu kaufen gibt. (Foto: Nicolai Sarafov)

Kalendersprüche haben keinen guten Ruf. Bieten sie doch oft nur Pseudo-Weisheiten, und die sind zudem meist geklaut. Auch der Münchner Künstler und ehemalige Design-Professor Nicolai Sarafov gibt in der Einleitung zu einem Jahres-Kalender für 2023 zu, dass er sich für die darin versammelten "Aphorismen & Kontraphorismen" von Denkern wie Emil M. Cioran, Karl Kraus oder Friedrich Dürrenmatt inspirieren ließ. Aber zitiert wird hier nur sinngemäß, vieles wird gewitzt und bissig weitergesponnen. Ein Beispiel zum Thema "Glaube", da jeder Monat ein Thema hat: "Sechs Tage, um die ganze Welt zu erschaffen? Dann blieb für den Menschen höchstens eine Minute. Das ist oft deutlich zu spüren." Der Kalender selbst ist mit "Seltsamer Ort für Spitzfindigkeiten" überschrieben, und er ist bereits die vierzigste Ausgabe der "Bilder zur Zeit". Denn seine sehr frei zwischen Comic und Karikatur illustrierten Kalender gibt Sarafov seit 40 Jahren heraus. Verkauft werden sie alljährlich auf einem "Kalenderfest". Das war schon, aber über die Webseite kann man den Kalender noch bekommen. Jürgen Moises

Nicolai Sarafov: Bilder zur Zeit 40, 29 Euro, bago.net

Witzige Buchstabenakrobatik

Der Münchner Künstler Wolfgang Lauter hat viele Talente. Unter anderem gestaltet er jedes Jahr einen typografischen Kalender. (Foto: Wolfgang Lauter)

Das Z stellt sich quer. Drängt sich fett und rot in den Vordergrund und ist schon dabei, aus dem Rahmen zu fallen. Dabei ist es doch eigentlich nur ein kleiner Wicht in einem großen Wort: Exzentrik. Auf dem Maiblatt kann sich das Auge verlieren wie einst Theseus auf Kreta, bevor es erkennt, was die Buchstaben hier bilden: ein Labyrinth. Der Münchner Künstler Wolfgang Lauter hat viele Talente. Bei den Beatstones sitzt er am Schlagzeug. Als Fotograf liebt er nicht nur Katzen und hat Bücher über das Licht, Treppen und viele andere Dinge gemacht, die nicht so simpel sind, wie sie scheinen. Als Grafikdesigner hat er Buchcover gestaltet, die heute noch in vielen Regalen stehen. Und jedes Jahr stellt er einen typografischen Kalender mit Monatsblättern zusammen. Voll feinem Witz sind diese Bilder, die die klare Form so mit Buchstabenakrobatik zum Gedankenspiel verdichten, dass man sich leicht 31 Tage über sie freut. Christian Jooß-Bernau

Wolfgang Lauter : Typobilder, 21,40 Euro. Zu bestellen per E-Mail an wlauter@freenet.de

Klingende Kalendersprüche

Die Sängerin Claudia Koreck hat einen Kalender für die Fans selbst gestaltet. (Foto: Claudia Koreck)

Da könnten die Fans nun diskutieren: Ist Claudia Koreck eher ein Sommermensch, wie ihr großer Hit "Fliang" nahelegt (".. barfuaß im Gros..."), oder der Wintertyp, wie ihre zauberhafte "Weihnachtsplatte" zeigt. Die Traunsteinerin ist wohl eine Sängerin für alle Jahreszeiten: 2022 hat sie jeden Monat in Songs verwandelt, welche sie wiederum 2023 Monat für Monat veröffentlichen wird, bis das ganze Album "Kalender" draus wird. Einzelne Verse daraus schmücken nun die zwölf Blätter eines Wandkalenders, zu denen die Künstlerin selbst jeweils auch ein herziges Bild gemalt hat. Da steht etwa unter einem Traumfänger mit Kolibri: "Im April singt koana mehr vom Sterbn, weil jeder woaß ois werd wieder werdn."

Claudia Koreck, "Kalender", 17 Euro, zu bestellen über www.claudiakoreck.com

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: