Zu den Sehenswürdigkeiten der sowieso sehr sehenswürdigen Stadt Freising zählt neben dem Domberg und der Brauerei Weihenstephan ganz gewiss auch Josef Wollinger. Er ist im Hauptberuf Straßenreiniger, nebenbei aber auch Cowboy und außerdem Träger eines beeindruckenden Bartes, der ihm schon viele Auszeichnungen eingebracht hat - und seinen Spitznamen: "Fuzzy" kennt in Freising jedes Kind. "Fuzzy", wie die Figur aus der Kult-Fernsehserie "Western von gestern".
Nun aber lernte Fuzzy am Montag das Münchner Landgericht kennen. Und das Gericht ihn. Vor drei Jahren nämlich hat der Filmemacher Klaus Bichlmeier einen Bildband herausgebracht, "Freising historisch modern wunderschön", der die Attraktionen der Domstadt in sich versammelt - logisch, dass Fuzzy da nicht fehlen durfte. Zwei Bilder zeigen ihn, eines bei der Reinigung der Straßen Freisings, das andere in Cowboy-Montur auf einem Westernpferd sitzend.
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Das Problem: Irgendwie ist es an Fuzzy vorbeigegangen, dass die Fotos in einem Buch veröffentlicht werden sollten. Dazu hat er, jedenfalls seiner Erinnerung nach, kein Einverständnis gegeben, und Geld hat er auch keines bekommen für die Model-Dienste. Darum geht es jetzt in der Klage. Die Zeit, eine Friedenspfeife zu rauchen, ist offensichtlich vorbei: "Wir waren die besten Freunde", ruft Bichlmeier, mit Betonung auf "waren". Die Klage zielt auf Unterlassung, was aber kein großes Problem mehr ist; in der zweiten Auflage des Buches hat Bichlmeier Fuzzy schon weggelassen. Der möchte trotzdem Auskunft über Druck- und Verkaufszahlen des Buchs, mithin über Umsatz und Gewinn, den Bichlmeier damit gemacht hat. Daraus könnte er dann ausrechnen, was eine angemessene Entschädigung sein könnte.
So einfach ist das aber nicht, stellt Bernhard Zeller fest, der Richter: Die Frage ist erstens, ob Josef Wollinger eine "relative Person der Zeitgeschichte" ist, wie das im Presserecht heißt, dann dürfte man ihn fotografieren und das Foto veröffentlichen, ohne ihn um Erlaubnis zu fragen. Aber ob Wollingers Bekanntheitsgrad dafür ausreicht? Ob es genügt, wenn jemand, wie der Richter sagt, "pittoresk durch die Straßen läuft"? Wohl eher nicht.
Dann aber geht es um die Verletzung des Persönlichkeitsrechts und den daraus entstehenden Anspruch auf Schadenersatz. Damit aber, sagt Zeller, "tu ich mir schwer", denn eines der Bilder ist mittlerweile auf Wollingers eigenem Instagram-Account veröffentlicht, und im Gerichtssaal hat er auch nichts dagegen, sich von Fotografen ablichten zu lassen. Sowieso: Das Persönlichkeitsrecht müsste schon schwerwiegend verletzt sein, um daraus einen nennenswerten Betrag als Schadenersatz erhalten können.
Richter Zeller versucht's doch noch mal mit der Friedenspfeife. Ob es denn gar keine Möglichkeit gäbe, sich gütlich zu einigen? Bichlmeier in Person seines Anwalt teilt mit, dass es ihm auf ein- oder zweihundert Euro nicht ankomme - aber die Gerichts- und die Anwaltskosten! Daraufhin muss er sich von Wollingers Anwalt vorhalten lassen, dass die ganze Angelegenheit gar nicht vor Gericht hätte gehen müssen, wenn er mal auf Wollingers Anfragen und Briefe reagiert hätte.
Weise wie Winnetous Lehrer Klekih-petra macht Richter Zeller schließlich einen Vorschlag zur Güte: Das Prozessrisiko, die Gefahr zu verlieren, sieht er überwiegend auf Wollingers Seite, deshalb sollte der auch den Großteil der anfallenden Kosten übernehmen: 85 Prozent er, 15 Prozent Bichlmeier. Wollinger ist das recht, auch Cowboys verfügen heutzutage offensichtlich über eine Rechtsschutzversicherung. Als Wiedergutmachung soll Bichlmeier 150 Euro bezahlen, außerdem die beiden Fotos nicht mehr verwenden. Kurzes Powwow zwischen Anwälten und Mandanten, und nach dieser Besprechung kann Bernhard Zeller den Vergleich diktieren. Auf die Schlussformel "Hugh, ich habe gesprochen" verzichtet er.