Pro Bürgerhaushalt:Einfach mitreden

Lesezeit: 2 min

Foto: dpa (Foto: N/A)

Ein neuer Bürgerhaushalt soll den Münchnern mehr Mitbestimmung im Viertel sichern, doch über die Details wird noch gestritten. Die Argumente dafür

Im Internet kann man fast alles erledigen: Fernreisen buchen, Pizzas bestellen, Partner für jetzt oder für ewig suchen. Warum sollte man über dieses Medium nicht auch mitbestimmen, was vor der eigenen Haustür geschieht? Den Politikern im Rathaus und im Bezirksausschuss (BA) mal klarmachen, was im Viertel wirklich benötigt wird, und zwar möglichst sofort? Rein theoretisch müsste das klappen, und in einigen Städten funktioniert es auch schon in der Praxis. In Ingolstadt zum Beispiel oder in Stuttgart, wo die Bürger über eine Online-Plattform vorschlagen können, welches Projekt in ihrem Viertel verwirklicht werden sollte. Das kann ein von der Jugend und den Sportlern seit Langem gefordertes Mehrzweckspielfeld sein oder der preisgünstige Abend-Schwimmtarif im Freibad.

Derzeit ist die Teilhabe der Bürger recht beschränkt. Sie können sich in der BA-Sitzung unter dem Punkt "Die Bürgerinnen und Bürger haben das Wort" mal kurz melden oder aber in den Bürger- oder Einwohnerversammlungen Anträge stellen. Es ist ihnen aber bisher verwehrt, ihre Vorschläge und Forderungen gemeinsam mit allen anderen zu diskutieren. Der Bürgerhaushalt, den Stadtkämmerer Ernst Wolowicz (SPD) nun auch in München auf Stadtviertel-Ebene etablieren will, könnte einen Wettstreit der Ideen auf breiter Basis ermöglichen. Über die allen Einwohnern zugängliche Online-Plattform könnten sich diejenigen Ideen durchsetzen, die den meisten Zuspruch finden. Und genau die müssten dann von Politik und Verwaltung auch verwirklicht werden. "Das ist ein wesentlicher Beitrag zur Demokratisierung", feierte Ekkehard Pascoe (Grüne) im Gremium für Schwabing-Freimann das Etat-Konzept.

Seit Wochen wird in den 25 Stadtteil-Gremien das Für und Wider des Bürgerhaushalts diskutiert. Aus den vielen Details, die von den Bezirksausschüssen als unabdingbar genannt werden, ergibt sich jedoch bereits jetzt, dass der Bürgerhaushalt noch viele Klippen umschiffen muss. Es geht zum einen ums liebe Geld. München, so der Tenor quer durch die Viertel, solle sich an Ingolstadt ein Beispiel nehmen und jedem Viertel für den Bürgerhaushalt zehn Euro pro Einwohner zur Verfügung stellen. Kämmerer Wolowicz knausert noch, ihm schwebt eher ein Pro-Kopf-Betrag von zwei Euro vor.

Bliebe es dabei, sollte man das Projekt gleich ganz abblasen. Schon der Aufwand für das Betreiben der Plattform sei hoch, das Bearbeiten der Vorschläge erfordere zusätzliche Planstellen. Bedenken werden auch dahin gehend geäußert, dass man kleine und große Stadtviertel über einen Kamm scheren wolle. Aus der Altstadt kommt deshalb die Forderung, den Bürgerhaushalt erst einmal in Pilotprojekten auszuprobieren, und zwar gleich vierfach: In einem kleinen und in einem großen Viertel, einmal mit eigenem Budget, einmal mit dem bisherigen, entsprechend erhöhten BA-Etat.

Die meisten Stadtteil-Gremien pochen darauf, ihr eigenes Budget zu behalten, um kulturelle und soziale Projekte im Viertel auf die Schnelle fördern zu können. Und sie denken auch an jene, die bei der Entwicklung ihres Viertels mitreden wollen, aber zum Internet keinen Zugang haben. Sie sollen ihre Vorschläge per Brief einreichen können - wie vor dem Beginn der Moderne.

© SZ vom 12.12.2015 / anna, bn, dü, gru - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: