Mordprozess in München:Das Kind war Augenzeuge

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Mit 24 Messerstichen tötete ein in München lebender Afghane seine Frau, die dreijährige Tochter beobachtete den Mord. Vor Gericht hat er nun gestanden.

A. Krug

Er wirkt in sich gekehrt und sucht nicht nach Ausreden. "Ich hasse mich selbst", sagt Zafar R., 27. Dann bricht er auf der Anklagebank im Schwurgericht kurzzeitig in Tränen aus, fängt sich aber schnell wieder. Zafar R. ist wegen Mordes an seiner Ehefrau angeklagt.

Vor den Augen der dreijährigen Tochter hat er seine drei Jahre jüngere Frau Nesima in Obersendling mit 24 Messerstichen regelrecht niedergemetzelt. Der Koran erlaube ihm dies, hatte er sich direkt nach der Tat gerechtfertigt. Davon war am Montag zum Prozessauftakt keine Rede mehr.

Sogenannte Ehrenmorde hat das Münchner Schwurgericht in der Vergangenheit schon einige verhandelt. In der Anklage der Staatsanwaltschaft am Montag kommt dieses Unwort erst gar nicht vor. Staatsanwältin Elisabeth Ehrl redet vielmehr Klartext: Zafar R. habe das Lebensrecht seiner Ehefrau "rücksichtslos" und in "krassester Weise" missachtet, sagt sie. Seine Motive seien eine Mischung aus "unduldsamer Selbstgerechtigkeit", "übersteigertem personalen Besitzdenken" und "Eigensucht".

Zafar R. ist in Kabul in Afghanistan geboren. Acht Geschwister hat er insgesamt, einige davon leben heute in München. Die Verwandtschaftsverhältnisse sind weit verzweigt, so dass selbst den Ermittlern der Durchblick manchmal schwerfällt.

Seine spätere Ehefrau Nesima soll eine Cousine von ihm gewesen sein, sie lernte er nach eigenen Angaben schon als Kind auf dem elterlichen Anwesen kennen. Als Zafar R. mit 21 Jahren seine Mutter bat, ihm eine "gute" Frau auszuwählen, fiel deren Wahl jedenfalls sofort auf die Cousine Nesima.

2004 erfolgte die Heirat der beiden nach "islamischem Ritus", ob aus Sicht der Frau freiwillig oder nicht, ist unklar. Viel zusammen waren die beiden aber offenbar nicht: Zafar R., der als Kfz-Lackierer im väterlichen Betrieb mitarbeitete, flüchtete in den Kriegswirren nach Iran, seine Frau kam nach München.

Dorthin folgte ihr der Angeklagte Anfang 2009 als Asylbewerber, seiner Schilderung nach führten sie gleichwohl eine "glückliche Ehe". Seine Ehefrau dürfte dies wohl anders gesehen haben. Sie war über die Jahre eine Beziehung mit einem anderen Cousin eingegangen und wollte sich von Zafar R. trennen.

In der Nacht zum 20. Juli vorigen Jahres stellte dieser Nesima im Hausflur vor ihrer Wohnung in der Boschetsrieder Straße. Im Ärmel verborgen führte er ein 31 Zentimeter langes Küchenmesser mit sich. "Ich bat sie, zu mir zurückzukehren", sagt der Angeklagte.

"Sie hat gesagt, sie macht, was sie will." Daraufhin habe er mit dem Messer auf sie eingestochen, "mir war gar nicht bewusst wie oft". Nesima R. versuchte noch, in das Appartement ihrer Schwester zu flüchten, doch der Angeklagte setzte ihr bis in den Flur nach und stach weiter auf sein Opfer ein, bis es zusammenbrach.

Die gemeinsame dreijährige Tochter will er dabei gar nicht bemerkt haben. Das Kind wurde Augenzeuge der Bluttat, welches Trauma dies auslöste, lässt sich nur erahnen. Die Dreijährige ist mittlerweile bei Pflegeeltern untergebracht. Im Prozess tritt das Kind formal als Nebenkläger auf, vertreten von Rechtsanwalt Claus-Peter Gantert.

Direkt nach der Tat hatte sich Zafar R. bei der Polizei auf den Koran berufen. Dieser gebe ihm das Recht, so zu handeln, wie er gehandelt habe. Im Gericht lässt er sich dazu zunächst nicht mehr ein. "Ich bedauere sehr, was ich getan habe", erklärt er. "Ich schäme mich sehr für die unmenschliche Tat. Ich hätte mir nie vorstellen können, so etwas zu tun."

Ob wirkliche Einsicht hinter diesen Worten steckt oder lediglich prozessuales Taktieren, ist schwer zu beurteilen. "Ich war mir gar nicht bewusst, was ich tue", sagt er dann noch. Seit der Tat sitzt er in Untersuchungshaft. Als "gläubiger Moslem" bete er dort jeden Tag fünfmal, erzählt er.

Erst vor wenigen Tagen hat das Schwurgericht drei türkische Brüder wegen gemeinschaftlichen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt. Sie hatten 1986 den türkischen Ehemann ihrer Schwester erdrosselt, weil dieser eine außereheliche Beziehung geführt hatte. Der Mord war erst nach 23 Jahren aufgedeckt worden. Im aktuellen Fall hat das Schwurgericht insgesamt vier Prozesstage angesetzt.

© SZ vom 13.04.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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