Mode:Höchst anziehend

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Das berühmte kleine Schwarze wurde zwar nicht in München erfunden. Aber ganz sicher für die Münchnerin. Vier Designerinnen zeigen, wie sie das Prachtstück neu in Szene setzen und was gut zu ihm passt

Von Franziska Gerlach

Für ihre 90 Jahre hat sie sich ziemlich gut gehalten, diese überaus wandlungsfähige alte Dame. Als Urheberin des kleinen Schwarzen gilt gemeinhin Coco Chanel. Die französische Modeschöpferin wollte ein Kleid, das die Persönlichkeit seiner Trägerin betont - anstatt diese wie noch einige Jahre zuvor mit Rüschen und Volants zu überdecken. Eine Art Uniform für alle Frauen mit Geschmack, orakelte die amerikanische Vogue aus heutiger Sicht völlig zurecht, als sie 1926 Chanels Zeichnung eines langärmligen, schlichten Kleides druckte. Das kleine Schwarze ist also keineswegs eine Münchner Erfindung, dafür aber ein Stück Modehistorie, das die Münchnerin beinahe so lieb gewonnen hat wie die Sonnenbrille in der Wallemähne. Hier zeigen Münchner Designerinnen, wie sie den Designklassiker interpretieren und womit sie ihn kombinieren.

1 - Elegant

Dieses kleine Schwarze ist eine echte Rarität. Eigentlich arbeitet Hanna Wolf, 30, nämlich lieber mit Dunkelblau. Schwarz dagegen, so sagt die Gründerin des Labels Kilenz, wirke zwar erhaben und geheimnisvoll, sei ihr persönlich aber oft zu hart. Während heutzutage kaum ein Designer mehr ohne Schwarz auskommt, verursachte Chanel damit noch einigen Wirbel. Denn Schwarz, mon dieu, ist doch trauernden Witwen vorbehalten! In anderen Punkten wären die beiden Modeschöpferinnen aber sicherlich einer Meinung gewesen: "Chanels Grundidee war, dass man elegant, bequem und alltagstauglich angezogen ist", sagt die Münchnerin. Stimmt: Die französische Couturière arbeitete gerne mit weichem Jersey, den man vormals eher von Herrenunterwäsche kannte. Und Wolf? Die fertigt ihr leicht ausgestelltes Kleid, damit es so gemütlich wie ein Pullover ist, aus edlem Schurwollstrick. Im München der Gegenwart verlängern dunkelbraune Stiefeletten das Bein. Für noch mehr Eleganz trägt Schneiderlehrling Fiona Hausmann, an diesem Tag Model, einen cremeweißen Lodenmantel, zusammengebundene Haare und opulenten Ohrschmuck - plus Rehaugen, die es locker mit Audrey Hepburn in "Frühstück bei Tiffany" aufnehmen. Und die hat in einer Kreation von Hubert de Givenchy bekanntermaßen Filmgeschichte geschrieben.

2 - Sportlich

Kaum ein Outfit hat den Münchner im Modejahr 2016 derart begeistert wie weiße Sneakers zu schwarzen Hosen. Anna Karsch, 29, und Michaela Wunderl-Strojny, 31, vom Label Akjumii gehen nun noch einen Schritt weiter und machen in ihrem Laden an der Reichenbachstraße vor, dass auch das kleine Schwarze wunderbar zu Turnschuhen funktioniert. "Die Kombination mit edleren, schickeren Sachen finde ich sehr gut", sagt Karsch. Gerade in einer Stadt, in der man das kleine Schwarze bevorzugt zu Pumps und Minitäschchen ausführt. Die Designerinnen provozieren da lieber einen Stilbruch, und werfen ihrer Kreation aus mehreren Lagen schwarzer Seide - in München seit Jahren ein Bestseller - eine leger geschnittene Jacke aus robustem Jeansstoff über. So kommt man problemlos durch den Tag, finden die beiden Frauen, die sich beim Studium an der Akademie Mode und Design (AMD) kennengelernt haben. Nur abends, im Theater oder bei einer Vernissage, da muss eines von beidem definitiv weg, entweder die Sneakers oder die Jeansjacke. Sonst wäre es für die bayerische Landeshauptstadt doch zu sportlich.

3 - Cool

So ein Fototermin ist eine gewichtige Angelegenheit. Model rechts, Designerin links. Oder doch lieber andersherum? Ziemlich cool sieht das Biker-Dress von Vanessa Morin, die 2012 ihr gleichnamiges Damenlabel gegründet hat, aus jeder Perspektive aus. Die pfiffige Kombination mit der Zipperweste ist Teil ihrer vom Geist der Rocker und Mods inspirierten Kollektion, die als Jugendbewegungen das Großbritannien der Sechzigerjahre prägten. Eine moderne Interpretation des kleinen Schwarzen, in die man sich automatisch eine selbstbewusste Münchnerin hineindenkt. Gerade wegen der Falten im Rock ist es aber auch mädchenhaft zart. Da sind schwarze Overkneestiefel als Gegenpol nur konsequent. Die nötige Frische im schwarzen Outfit liefert eine Wildlederjacke in einem kräftigen Lachston, findet Morin. Grau, Weiß und Elfenbein ist die Farbwelt der Designer, die sich in ihrem Laden an der Klenzestraße entfaltet, dazu gibt es in jeder Kollektion eine saisonale Farbe, vieles ist aber auch in Schwarz gehalten. "Darin sieht man immer gut aus", sagt Morin. "Schwarz ist schick, elegant, hat aber auch eine gewisse Coolness." Die Esmod-Absolventin hat sich des Designklassikers schon diverse Male angenommen, Hängerchen aus Seide hat sie zum Beispiel entworfen, die sich unkompliziert überstreifen lassen. Das kleine Schwarze habe zu jedem Zeitpunkt Relevanz hat, findet sie. Es sei einfach nur die Frage, wie man es stylt.

4 - Androgyn

Die Maße 90-60-90 braucht keine Frau, um in Jessica Dettingers, 33, kleinem Schwarzen umwerfend auszusehen. "Wir mischen auf!", ruft Model Julia Siems und wiegt sich in der Hüfte, damit die asymmetrische Silhouette besser zur Geltung kommt. Dettinger kombiniert das Kleid mit einem zartblauen Trenchcoat und einem Fahrradkäppi zu lila Haarsträhnen. "Burschikos", nennt sie ihre Interpretation, und selbstredend lässt es sich so auch mit dem Rennrad die Isar entlang brettern. Bei dieser Vorstellung zuckt die Klischee-Münchnerin womöglich zusammen aus Angst um vordergründig weibliche Attribute wie verführerische Kurven und ein ausladendes Dekolleté. Dass die knapp bemessene, körperbetonte Version des kleinen Schwarzen ein Garant für einen starken Auftritt ist, wissen wir ja aber schon, seit Prinzessin Diana darin grimmig gegen ihre unliebsame Sippe in Tweed und Glencheck angeschritten war. Dettingers Auffassung von Sexyness ist eine viel Subtilere. Die Designerin liebt nicht nur das Spiel mit Geschlechterbildern, bei ihrem Label Form of Interest geht es auch immer darum, Kleidung zu hinterfragen und gesellschaftliche Zwänge aufzubrechen. Da wird ein apricotfarbener Kanister aus dem Baumarkt schon mal zur Handtasche. Auch in München.

© SZ vom 03.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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