Mitten in Westpark:Gut Ding braucht Weile

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Kinder quengeln, wenn sie warten müssen. Erwachsenen geht es nicht anders, und wenn ihr Wunsch nach 23 Jahren in Erfüllung geht, freuen sie sich besonders

Von Berthold Neff

Das Warten auf Dinge, die man sich aus tiefstem Herzen wünscht, kann sich mitunter endlos hinziehen. Dass die Zeit ein höchst elastisches Ding ist und einem die Nerven bis aufs Äußerste spannt, wurde einem schon als Kind klar, wenn Heiligabend samt der ersehnten Schlittschuhe ewig auf sich warten ließ.

Eine Engelsgeduld muss man aber auch später haben, zum Beispiel als ehrenamtlich tätiges Mitglied im Bezirksausschuss. Hans Dusolt, der die Grünen im Bezirksausschuss (BA) Sendling-Westpark vertritt, stellte am 26. Oktober 1993 einen Antrag an die Stadtverwaltung. Nun, 23 Jahre später, wird seinem Begehr stattgegeben, auf der Ehrwalder Straße, die sich zwischen den U-Bahnstationen Westpark und Holzapfelkreuth hinzieht, Tempo 30 zu verordnen. In der Sprache des Kreisverwaltungsreferats (KVR) lautet das so: "Nach Abstimmung mit der Polizei wird das KVR eine entsprechende verkehrsrechtliche Anordnung erstellen."

1993 war das Jahr, in dem Bill Clinton erstmals US-Präsident wurde, was seine Frau ihm am Dienstag nachmachen will. Dusolt hatte seinen Antrag schon aufgegeben und fiel nun aus allen Wolken. "Ich kann es fast nicht glauben", bekannte er in der BA-Sitzung, in der ihn die Botschaft seines späten Sieges erreichte. Auf den Boden der Tatsachen holte ihn die CSU zurück, die zu bedenken gab, dass Dusolt ohne den im vorigen Jahr eröffneten Südwest-Tunnel am Ring auch heute noch auf sein Tempo 30 warten würde. Es ist der dritte der drei Tunnel, die 1996 per Bürgerentscheid von den Münchnern durchgesetzt wurden.

Den Autofahrern, die sich im Münchner Westen unterhalb und auf der Oberfläche mehr schlecht als recht vorankämpfen, dürfte die neue Regelung mit Tempo 30 eher egal sein. Wenn die Autolawine überhand nimmt und nichts mehr geht, erreichen sie ohnehin höchstens Tempo null. Für sie geht das Hoffen aufs Fortkommen also weiter. Einen Trost gibt es: Oben, bei Tageslicht, fällt einem das Warten leichter.

© SZ vom 04.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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