Mitten in Thalkirchen:An den Feuern des Isarstrandes

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Sonne satt in München oder Malaga, das scheinen völlig verschiedene Arten der Einstrahlung zu sein. Egal: Für einen Sonnenstich reicht's hier wie dort

Von Jürgen Wolfram

Hach, war das wieder eine Hitze in den vergangenen Tagen. Ob auf dem Bahnsteig oder am Arbeitsplatz, beim Einkauf oder im ärztlichen Wartezimmer - kaum auszuhalten. So stöhnen nicht zuletzt jene, die in den Sommerferien, also schon sehr bald wieder unerschrocken ans Mittelmeer düsen. Dort erwärmt sich die Luft voraussichtlich noch weitaus stärker, was aber nicht weiter stört. Es kommt eben auf den Kontext an. Sonne satt in München oder Malaga, das scheinen zwei völlig verschiedene Arten der Einstrahlung zu sein. Egal: Für einen Sonnenstich reicht's hier wie dort. Wer's nicht glaubt, sollte mal wieder einen Blick an die innerstädtische Isar werfen. Zum Beispiel in Thalkirchen.

Die Isar, soviel zur Erinnerung, das ist jener renaturierte Paradefluss, den früher Ufer säumten und keine Partyzonen. Heutzutage lagern auf dem Kiesbett der Gestade schon werktags grillfreudige Cliquen dicht an dicht. Woraus sich beeindruckende Schnittmengen bei der Rauchentwicklung und Akustik ergeben. Gejohle und Gedudel aus dem Ghettoblaster vermischen sich zu einer Kakophonie, vor der jeder Flussregenpfeifer schwer verstört das Weite sucht. Die rasenden Pedaleure auf dem nahen Isarradweg bekommen davon nicht viel mit, Spaziergänger schon.

Zu den erbaulicheren Erscheinungen des sommerlichen Treibens zählen Isarfans, die Bierkästen ans Ufer schleppen. Mehr noch erfrischen die Träger von Gitarrenkoffern das erwärmte Gemüt, jedenfalls solange sie nicht angefangen haben zu spielen. Kurz bevor es soweit ist, halten immer alle erkennbar die Luft an: Wird man sich fremdschämen müssen, oder singt man beim dritten Lied schon mit, das ist jedesmal die spannende Frage. Die meisten Lagerfeuer-geeigneten Hymnen an die Liebe sind erfreulicherweise zählebig; es reicht, das eigene Repertoire alle paar Jahre zu aktualisieren. Bob Dylan trägt noch deutlich länger, und den kennen sie auch am Mittelmeer. Also dort, wo die Sonne noch heißer brennt als an der Marienklause. Nur dass es dort kein Münchner merkt.

© SZ vom 22.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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