Mitten in Solln:Schöne Grüße aus Opole

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Unter unserem weißblauen Himmel fällt ein Geschäft ins Auge, das in Rot und Weiß geflaggt ist. Der Laden in der Gulbranssonstraße ist für die Münchner Polen ein Stück Heimat - Pirogi, Bigos und Honig-Bier inklusive

Von Jürgen Wolfram

Ein Hauch Exotik liegt in der Luft. Er ist noch etwas ungewohnt und ganz anders als der Duft von indischem Murgh Tikka Masala oder vietnamesischem Wan Tan - beides längst alte Reisbauernhüte in Solln. Der neue Gaumenkitzel trägt andere Namen: Pirogi, Bigos, Honig-Bier und, klar, Wodka in vielen Varianten. Woher der frische osteuropäische Wind weht, sieht man auf den ersten Blick. Schaufenster und Regale geflaggt in Rot und Weiß, den Farben Polens, des deutschen Nachbarn.

Polen - sind das nicht die genialen Restauratoren alter Städte, mutige Gewerkschaftsführer und berühmte Filmregisseure? Mit ihnen hat Andrzej Dallak nicht das Mindeste zu tun. Ebenso wenig ist er mit den Skisprung-Siegertypen aus dem Riesengebirge im Bunde. Der Geschäftsmann aus dem oberschlesischen Opole (Oppeln) realisiert eine andere Idee, die weit zu tragen scheint: Zwischen Fahrschule und Nagelstudio offeriert er an der Gulbranssonstraße, was das Herz seiner Landsleute begehrt, und was viele Einheimische schon lang mal probieren wollen. Alles Feinkost-Direktimporte, selbst noch "Warka", ein Starkbier. In einem lagerartigen Nebenraum kann man in polnischen Zeitschriften blättern, konsonantenreich parlieren, Fahrgemeinschaften verabreden. Ob Theo bald wieder nach Łódź fährt?

Unter den Ausländern in München bilden Polen die sechstgrößte Gruppe, vor allem Baufachkräfte und Altenpflegerinnen aus dem Nachbarland sind stark gefragt. S-Bahnen der Linie 7, die morgens zwischen 8.30 und 9 Uhr in Solln, Großhesselohe oder Pullach halten, heißen in eingeweihten Kreisen Polen-Express, wahlweise auch Ungarn-Bahn. Weil Putzfrauen und Babysitterinnen aus Osteuropa dort pulkweise aussteigen, um in den Villen wohlhabenderer Leute ihren Dienst zu verrichten. Die sauer verdienten Euros legen sie dann gern in Schmankerln aus der alten Heimat an. Hat Andrzej Dallak klar erkannt, als er sich geschäftlich in der Parkstadt Solln niederließ. Nicht wenige seiner Landsleute nehmen für den vertrauten Rote-Bete-Saft, die Wurst der Kindheit oder Krautgerichte aus dem kaschubischen Hinterland gerne die weiten Wege in Kauf. Schließlich gibt es eines hier immer gratis dazu - einen angeregten Plausch.

© SZ vom 08.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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