Mitten in Solln:Freie Fahrt für zornige Bürger

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Schwindender Respekt vor Respektspersonen: Aufmüpfige Bürger sabotieren eine Geschwindigkeitskontrolle der Polizei

Von Jürgen Wolfram

Schlimme Sache, das mit der wachsenden Renitenz der Bürger. Selbst vor Polizisten machen reglementierungsfeindliche Glutbürger angeblich nicht halt. Weit und breit kein Respekt mehr vor Respektspersonen. Und an Beweisen für aufmüpfiges Auftreten herrscht kein Mangel. Mitunter stammen sie aus Gegenden, in denen ungehobeltes Benehmen in der Öffentlichkeit am wenigsten zu vermuten wäre. Zum Beispiel aus Solln.

Durch das feine Viertel führt die Heilmannstraße, auf den ersten Blick ein Verkehrsweg, der sich sanft durch eine gediegene Villengegend schlängelt. Bei näherem Hinsehen verwandelt er sich zu gewissen Zeiten jedoch in eine Rennpiste für Pullacher; die südlichen Nachbarn nehmen gern eine Abkürzung Richtung Thalkirchen. Dass in der Heilmannstraße Tempo 30 gilt, ignorieren sie großzügig. Kein Wunder, dass Anwohner beim Kreisverwaltungsreferat immer wieder die kommunale Verkehrsüberwachung anfordern. Tatsächlich schickte die Behörde vor einiger Zeit einen Kombi mit Blitzgerät hinter der Heckscheibe vorbei. Doch sie hatte den Trend zur Disruption unterschätzt. Und so kam es, dass von 80 Autos, die planmäßig ins Visier genommen werden sollten, gerade mal 19 so im Sucher aufschienen, dass verwertbare Resultate heraus kamen.

Was sich in der Heilmannstraße abgespielt haben soll, könnte als Lehrstück dienen, wie man Verkehrserziehung mittels Bußgeldbescheid unterläuft. Pöbelnde Fußgänger behindern die Kontrolle, Autofahrer verbreiten mit wütenden Kommentaren gereizte Stimmung. Den frühen Schlusspunkt unter die Aktion setzt ein Verkehrsteilnehmer, der seinen Pkw mutwillig so knapp hinter dem Messwagen parkt, dass jede beweisfeste Beobachtung von Rasern vereitelt wird. Später heißt es, die "Beanstandungsquote" in der Gegend sei im Vergleich zu früheren Jahren gesunken. Ausnahmsweise mal ein leicht erklärbares Phänomen.

Die Stadtverwaltung bastelt gerade an einem neuen Verkehrskonzept für jenen Bezirk, zu dem Solln gehört. Inwieweit die Folgen verrohender Sitten in das Werk einfließen, ist nicht bekannt. Den Vertretern des Planungsreferates möchte man vorsichtshalber raten, sich gegen Büchsenwürfe zu wappnen.

© SZ vom 21.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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