Mitten in Sendling:Kippe zum Kaffee

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Urbanität heißt leider manchmal auch, dass Heißgetränke nicht einfach voller Genuss in der Öffentlichkeit getrunken werden können

Von Birgit Lotze

Man muss nicht von einem Vogel von oben überrascht werden. Es kann auch ein Raucher sein, der einem den Kaffee versaut. Einem Sendlinger ist das passiert. Wegen einer Kippenattacke hat er sich beim Bezirksausschuss beschwert. Kürzlich, am Herzog-Ernst-Platz, habe er sich mit einem Kaffee vor eine Bäckerei gesetzt, kaum habe er zu trinken angesetzt, sei eine Zigarettenkippe darin gelandet - offenbar heruntergeworfen von einem Hausbewohner. Was den Mann am meisten aufregte, war nicht der laxe Umgang des Rauchers mit seinem Zigarettenstummel. Ihn erboste, dass sich die Mitarbeiter der Bäckerei weigerten, ihm einen neuen Kaffee auszugeben.

Ein Fall für den Bezirksausschuss? Nein, hieß es dort. Der Mann solle sich an die Bäckerei wenden. Die Stadtviertelpolitiker wunderten sich etwas über das fehlende Feingespür in der Bäckerei, das sei ja wohl eine Sache der Kulanz. Und sie fragten sich, ob man jetzt in Häusern mit Aushängen daran erinnern müsse, dass es zu unterlassen sei, Zigarettenkippen runter auf die Straße zu werfen.

Was tun? Vinzenz Zöttl ist der Seniorchef der Bäckerei, von der hier die Rede ist. Die Zöttls backen in Sendling, beliefern die Wiesn mit Bio-Brezn und versorgen im Umkreis von etwa einer halben Autofahrstunde um die Backstube drei Mal täglich 40 Filialen und dazu 80 Großkunden. Der Seniorchef sitzt im benachbarten Bezirksausschuss in der Ludwigsvorstadt. Auf den Fall angesprochen, zeigte er sich wenig amüsiert. Peinlich, kleinlich, falsch, ungeschickt, unmöglich und unangenehm - das sind die ersten Adjektive, die Vinzenz Zöttl dazu herausrutschen. Dass sich Hausbewohner über den Freischankflächen ihrer Wohnhäuser ihrer Kippen entledigen, habe er aber auch noch nie erlebt. Bestätige sich der Vorfall, habe der Kunde auf jeden Fall eine Entschuldigung und ein kleines Geschenk verdient. Der Mann hat Recht. Bevor man dem Kunden aber den Gratis-Kaffee serviert, sollte man den Luftraum vorsorglich sperren - sonst verglüht die nächste Kippe im Kaffee.

© SZ vom 12.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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