Mitten in Schwabing:Stoff für Geschichten

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Reisen bildet - das zeigt sich sogar an leuchtend bunten Hemden aus Burkina Faso

Von Nicole Graner

Reisen bildet. So sagt man. Und so ist es auch. Und wenn sich junge Menschen - meist nach dem Abitur - ein Gap Year gönnen, dann ist das nur gut. Sie sehen etwas von der weiten Welt, bevor sie in Semestern oder anderen Zeitschleifen denken. Sie tun etwas für ihr Selbstbewusstsein, lernen das Leben in anderen Kulturen kennen, unterscheiden, gewichten... Viele neue Erfahrungen bringen sie mit - und viele Dinge im Koffer.

So kam jüngst einer jener Reisenden aus Afrika zurück. Acht Wochen arbeitete er in Burkina Faso bei einem Hilfsprojekt mit. Und die Zeit war vollgepackt mit schönen Momenten, wunderbaren Begegnungen. So bunt wie der Name Ouagadougou (sprich: Wagadugu) klingt, so bunt war dann auch der Inhalt der Koffer. Wie viele Dinge der 22-Jährige in den Gepäckstücken unterbrachte, ist nach wie vor ein Rätsel.

Handgenähte Tagesdecken zum Beispiel. Oder Musikinstrumente wie eine Kalimba, die ein bisschen wie eine Maultrommel klingt - nur mit Resonanzraum. Eine hübsche Lederschatulle, allerlei Schmuck - bunte Ketten, Ohrringe von einem Tuareg - und eine liebevoll gestickte Tischdecke kamen ebenso zum Vorschein wie Wandbehänge, die in ihrer Symbolkraft alles ausdrücken: Lebensfreude und die Fähigkeit, mit stilisierten, manchmal sogar abstrakten Figuren Geschichten des Landes zu erzählen.

Ja, Wagadugu muss wunderbar gewesen sein. Farbig vor allem. Denn der rote Sand der Straßen - auch er fand sich im Koffer wieder: an der Kleidung und in den Stoff der Strümpfe gedrückt. Bunt vor allem - denn das, was aus dem Koffer zu Tage gefördert wurde, war ein einziger Farbkasten in Form von Sakkos, Hemden und weiten Hosen. Zu jedem Hemd, das aus dem Koffer hervorquoll, bekam man zudem eine Geschichte zu hören. Voller Sehnsucht, voller Wärme. "Das hier habe ich mir machen lassen", sagt der Student. "Und dieses liebe ich besonders." "Und schaut, wie toll diese Farben sind."

So ein ähnliches Hemd habe er verschenkt, dieses zu einer Hochzeit angehabt und jenes tragen die Menschen da und dort, wenn sie sich schick machen wollen - Geschichtsunterricht an Kleidung. Türkis mit blau, schwarz mit rot, gelb mit orange, orange mit schwarz - aufgestickte Muster, kräftige Ornamente: eine einzige Kunstgeschichte der Farben.

Apropos Farben: Die Hemden seien übrigens ganz behutsam zu waschen. Am besten per Hand. Dieses, so heißt es bald, färbte ordentlich ab und jenes dürfte eigentlich nicht nass werden, sonst sei die Farbe perdu. Eine Herausforderung also an die Hausfrau. Eine schöne. Schließlich hat man beim supersanften Ausdrücken der Textilien und beim besonders zarten Bügeln noch die Geschichten aus "Waga" im Ohr. Reisen bildet eben.

© SZ vom 11.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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