Mitten in Schwabing:Seltsame Begegnungen

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Mit einem Eichhörnchen im tiefsten Wald ist zu rechnen, ebenso mit einem Pizzaboten in Schwabing. Nur im umgekehrten Fall kommt man doch etwas ins Grübeln

Von Nicole Graner

Rot und mit grell aufgeblendeten Scheinwerfern. So stand das Auto mitten im Wald, im tiefen Bayerischen Wald an einem kleinen versteckten Weg, der auf einen Hügel führt. Dort, wo sich Has und Fuchs Gute Nacht sagen. Dort, wo eigentlich niemand mehr um 21 Uhr spazieren fährt. Doch es stand da. Ein anderes Auto - ebenfalls rot -, das diesen Weg allerdings tatsächlich fahren muss, bleibt stehen. Dann die Begegnung. Beide Fahrer fahren dicht an dicht, kurbeln fast zeitgleich das Fenster herunter. Auto eins: "Was machen Sie hier?" Auto zwei: "Wo ist Sportplatz?" Auto eins: "Da hinten, nicht da oben! Warum müssen Sie dahin?" Auto zwei: "Ich habe Pizza!" Gut. Ein Pizzabote im Wald. Was im Wald passiert, passiert auch in München - in Schwabing zum Beispiel. Nicht mit einem Pizzaboten allerdings, trotzdem erlebt als eine ungewöhnliche Begegnung an einem ungewöhnlichen Ort.

Sechs Uhr früh. Die Roll-Läden des Schlafzimmers sind leicht hochgezogen. Die Nacht war irgendwie zu warm. Im Halbschlaf glaubt sie Bewegungen wahrzunehmen. Da ist doch jemand, denkt sie sich. Richtet sich auf, schaut. Nichts. Kurze Zeit später das gleiche Gefühl. Da ist doch jemand im Raum. Sie bleibt still liegen. Dann raschelt es, der Vorhang am Fenster bewegt sich. Und . . . ein kleiner, felliger Kopf mit spitzen Ohrpuscheln lugt ins Zimmer. Das Eichhörnchen wagt kleine Tippel-Schrittchen, springt auf den Fußboden. Wartet. Kopf hin, Kopf her. Dann ein Sprung, ein gewagter. Aufs Bett. Sie: Ganz, ganz still. Wie süß, dieses Katzerl! Und es ist ein heimisches, ein rotes. Also nicht verjagen!

Vom Bett geht es auf das Nachtkästchen, die Lesebrille rutscht auf den Boden. Von dort auf die Wäscheablage, der Pullover rutscht auf den Boden, und auf den Bücherschrank. Regal rauf, Regal runter. Und wieder auf die Fensterbank zurück. Verschnaufen. Ist ja doch spannend in so einer Nicht-Fell-Schlafbehausung. Dann wartet der Nager. Blickt - so scheint es - aufs Bett und springt - so glaubt sie - mit einem verschmitzten Augenzwinkern wieder ins Freie.

Wunderbar solche Begegnungen. Dabei hätte man dieses städtische Eichhörnchen eher im Woid vermutet und den Pizzaboten in Schwabing.

© SZ vom 22.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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