Mitten in Schwabing:Freiluft-Plausch zum Anwärmen

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An den meisten Bushäuschen wird nur auf den Bus gewartet, ein paar sind aber nebenbei auch Freiluft-Wohnzimmer

Von Nicole Graner

Bushäuschen sind nur zum Warten da: wenn es schneit, wenn es regnet und die Winde wehn. Aber zwei Bushäuschen am Parzivalplatz sind noch etwas anderes: Wohnhäuschen. Zumindest für eine Klientel, die gerne schon vor zwölf Uhr mittags ein kleines Schlückchen mehr trinkt. Sie treffen sich in jenen Freiluftzimmern zum Plausch. Meistens, wenn es schön ist. Haben ihre Hunde dabei. Einen mit einem roten Tüchlein als Halsband. Und ihre Flaschen. Die meisten Fahrgäste, die tatsächlich auf einen Bus warten, haben sich im Laufe der Zeit an die Gruppe gewöhnt. Sie stehen schweigend daneben - in sicherem Abstand.

An einem Tag im Bushäuschen, so scheint es, hat das Bier keine Chance. Keine Flaschen dieses Mal. Nur einer von Vieren trägt eine in der Hosentasche, ein Spezi. Sie trinken nicht, sie plauschen stattdessen und verbessern die Welt. Da sind zum Beispiel die Ärzte, die mal wieder das nicht verschrieben haben, was sie verschreiben sollten. Ja, müssten, wie ein Mann an Krücken meint. "Der kann das einfach nicht tun, das geht nicht." Das Gegenüber nickt. "Ja, da hast du Recht. Das darf der nicht." Und die Krücken sind auch Thema, die leidigen. Ein bisschen jammern, ein bisschen schimpfen. Herrengespräche. Und die Damen? Die haben es mit Angie. Nein, nein, nicht mit der Kanzlerin. Nur mit irgendeiner Angie. Sie war gemein, sie sei, so sagt eine der beiden Frauen eine ganz, ganz Falsche. "Seitdem ich das weiß, dass die Angie so über uns redet, ist die ganz unten durch bei mir." Das Gegenüber nickt. "Ja, da hast du Recht, das darf die nicht."

Dann kommt der Bus in Richtung Münchner Freiheit. Alle steigen ein. Alle. Das luftige Wohnzimmer ist plötzlich leer. Die vier fahren mit, man denkt nur das Beste. Und freut sich, dass sie nichts trinken, dass sie zufrieden scheinen. Sie fahren eine Station weiter. Steigen aus, queren die Leopoldstraße. Und halten sich rechts. Ob sie tatsächlich das tun, was der Beobachter schon ahnt? Sie tun es. Dort in der Kneipe "Pils-Doktor" ist es eben doch schöner als im Wohnhäuschen. Schade, der Tag fing doch so vielversprechend an - mit einer Flasche Spezi in der Hosentasche.

© SZ vom 29.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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