Mitten in Schwabing:Die Pappeln rascheln wieder

Lesezeit: 1 min

Vor zehn Jahren mussten sie der Tram weichen, nun sind die Gehölze an die Leopoldstraße wieder zurückgekehrt

Kolumne von Nicole Graner

Es gibt Erinnerungen, die im Zeitenlauf nach und nach verblassen. Und verschwinden. Aber einige, ob schöne oder traurige, behalten ihre Kraft. Sogar so, dass das Erinnern die Gefühle heraufbeschwört, die man an jenem Tag, in jenem Augenblick gehabt hat. So ein Tag war der Dienstag, 11. März, im Jahr 2008. Da hingen plötzlich auf Höhe der Parzivalstraße Baumkletterer an den wunderbaren Säulenpappeln, die so viele, viele Jahre den Mittelstreifen der Leopoldstraße begrünten. Sie sägten Ast um Ast ab. Das Kreischen der Motorsäge, das Knacken der Äste, das gnadenlose Schrumpfen zu Stümpfen - man stand am Straßenrand, kämpfte mit den Tränen. Wut, Trauer, Ohnmacht - alles zusammen mischte sich zu einem jener Gefühle, die Zeiten überdauern.

Die eigene Unterschrift stand da bereits auf einer Liste, mit der Schwabinger gegen die Fällaktion demonstrierten. Und eine kleine Gruppe stand am 11. März 2008 auch mit Transparenten am Straßenrand, um für die geliebten Pappeln zu kämpfen. Vergebens. 49 Bäume verschwanden, weil die Trasse der Tram 23 gebaut werden musste. Bäume, die Nachbarn in heißen Sommern liebevoll gegossen hatten, die ein Viertel zur Heimat machten, sich im Wind wiegten und dabei sanft raschelten.

Vor zehn Jahren verschwanden sie. Und jetzt, welche Freude, ja, jetzt sind sie wieder da. Nicht an gleicher Stelle. Die Tram fährt ja. Aber am Straßenrand der Leopoldstraße und vor den großen Gebäuden des Schwabinger Tors. Die Jost-Hurler-Gruppe hat auf städtischem Grund 34 neue Säulenpappeln gepflanzt.

20 weitere sollen, wie es heißt, noch kommen, wenn das neue Andaz-Hotel fertig ist. Der einstige Allee-Charakter der Leopoldstraße, sagt die Unternehmensgruppe, solle "wieder unterstützt" werden. Am Ende sollen es 54 Pappeln sein. Mehr als einst gefällt worden sind! Noch werden die kleinen "Säulchen" gestützt. Doch irgendwann sind sie groß. Wiegen sich im Wind, rascheln sanft. Und irgendwann werden sie an heißen Tagen auch wieder gegossen. Aus traurigen Erinnerungen erwächst also ein Neubeginn. Eine schöne Variante.

© SZ vom 11.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: