Mitten in Pasing:Geliebtes Mistviech

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Die Nachbarskatze machte einem stets einen bösen Buckel und war auch sonst ziemlich kratzbürstig. Was man wirklich an ihr hatte, wurde einem erst klar, als sie plötzlich auf immer verschwunden war

Von Jutta Czeguhn

Mit Freddy - der Name ist leicht geändert - war in der Regel nicht gut Kirschen essen. Um es direkt zu sagen, die Nachbarskatze war ein rechtes Mistviech. Sie wohnte schon vor uns da, weshalb sie uns über viele Jahre bis an ihr Ende als die Neuen, die Eindringlinge in ihrem Revier betrachtete. Freddy, die mit gleich zwei Hunden zusammenlebte und vielleicht deswegen hochneurotisch war, streunte stets schattenhaft durch unseren Garten, inspizierte den Schuppen und pinkelte mit ausdauernder Bosheit an die Haustür.

Kreuzte man zufällig ihren Weg, machte sie einen Buckel und sträubte ihr schwarzes Fell so, als wäre sie an eine Steckdose angeschlossen. Ahnungslose Hausgäste, die Freddy streicheln wollten, ließen recht schnell ab von dieser kühnen Unternehmung. Nicht wenige mussten sich nach dem Besuch bei uns einer Tetanus-Impfung unterziehen. Als wir auf die leichtfertige Idee verfielen, uns selbst eine Katze anzuschaffen, wechselte die Beziehung zu Freddy vom kalten in den höllenheißen Krieg. Die kleine Katze, von Freddy terrorisiert, wurde Dauerpatient beim Tierarzt und nahm eines Tages auf Nimmerwiedersehen Reißaus vor dieser Qual.

Nur ein einziges Mal zeigte Freddy uns etwas anderes als grenzenlose Verachtung. Im Schuppen hatte sich eine Ratte heimisch gemacht, was zu Panikkäufen von Lebendfallen und furchtbar giftigem Gift führte. Noch ehe diese Bekämpfungsmaßnahmen aber zum Einsatz kamen, war das Problem schon gelöst. Die Ratte lag mit durchtrennter Kehle vor dem Schuppen, drapiert, aufgebahrt, zweifellos von Freddy. Ein Gunstbeweis, Friedensangebot? Nein, eher ihre Art, uns zuzuraunzen: "Ihr Weicheier, ohne mich hättet ihr das nie geschafft!"

Es war wohl ein letztes Aufbäumen. Freddy schwächelte zusehends und war dann eines Tages weg, einfach verschwunden. Als jetzt dieser Zettel eines Katzen-Betreuungsservices für den Münchner Westen im Briefkasten lag, mussten wir wieder an sie denken. "Seelischen Ausgleich" bringe der Umgang mit Katzen, schreibt die Inhaberin der Agentur "Isarkatzen". Ja, genau das war es, was Freddy all die Jahre garantierte. Sie fehlt uns. Sehr.

© SZ vom 20.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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