Mitten in Obersendling:Wie der Radlboom sich Bahn bricht

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Holperpisten, Hindernisse, ungerührte Parker: Ein Erlebnistrip treibt selbst dem Sattelfestesten Schweißperlen auf die Stirn

Glosse von Jürgen Wolfram

Schon klar, warum Kommunalpolitiker sich für die Radler abstrampeln: Biken und E-Biken entwickeln sich zum Megatrend, der aus der Innenstadt zunehmend auf die Randviertel zurollt. Ein Probetrip auf den Routen der neuen Massenbewegung schärft den Blick für diesen Aspekt der Mobilitätswende. Und offenbart zugleich die Tücken und Lücken der Fahrradinfrastruktur. Die Hofmannstraße ist dabei nicht mal der schlimmste Hindernisparcours im Süden von München. Dennoch erwartet den stressgewohnten Stadtbiker zwischen Kistlerhofstraße und Boschetsrieder Straße ein Abenteuer, das noch dem Sattelfestesten Schweißperlen auf die Stirn treibt.

Eingebogen unweit des chinesischen Generalkonsulats, wird dem Pedaleur blitzartig bewusst, dass er auf einer extrem schmalen, überdies schadhaften Holperpiste unterwegs ist. Abstand zur Fahrbahn: Fehlanzeige. Wenn hier die Beifahrertür eines der in Endlosreihe geparkten Autos auffliegt, ist die Fahrt abrupt beendet. Denn dann fliegt unweigerlich der schwächere Verkehrsteilnehmer. Vermutlich in hohem Bogen.

Günstigenfalls geht's noch ein paar Meter weiter, ehe die ersten Bau- und Lieferwagen den Radweg blockieren. Wenig später parkt eine Frau ungerührt ihren Kleinwagen mitten auf der Spur, die Leuten mit Velo vorbehalten ist. Hat wohl 'n Rad ab oder mindestens 'ne Schraube locker, denkt sich empört der Gestoppte, während er absteigt und schiebt - eine wiederkehrende Übung. Sie ist geeignet, die Begeisterung für Fahrtwind am Lenker scharf abzubremsen.

Passiert Radfahrenden im Herzen Obersendlings ein Malheur technischer Art, ist wenigstens Hilfe nicht weit. Denn idealerweise hat der Radlladen "Velodrama" dort seinen Sitz. Ein Name, der in diesem Fall passt wie die Kette auf den Zahnkranz. Doch es gibt Hoffnung für die Hofmannstraße: Das beschriebene Teilstück ist in jenen Katalog von 20 Verbesserungsmaßnahmen aufgenommen worden, die entsprechend dem Münchner Radentscheid umgesetzt werden sollen. Mehr Sicherheit, Radweg-Mindestbreite 2,30 Meter, so will es der Stadtrat. Bevor Radler nun einen Gang höher schalten, müsste nur noch jemand den Ignoranten unter den Autofahrern verklickern, wohin die Reise gehen soll. Bei dieser Aufgabe dürfen die Politiker gern noch einen Zahn zulegen. Im Erfolgsfall mögen sie dann gern so tun, als hätten sie das Rad erfunden.

© SZ vom 04.11.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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