Mitten in München:Wie Mann es macht, ist's falsch

Lesezeit: 1 min

Einst selbstverständliche Höflichkeit, will das Anbieten des eigenen Sitzplatzes in der U-Bahn heute wohl überlegt sein

Von Berthold Neff

Es war einer dieser nasskalten Tage, an denen man am liebsten im Bett geblieben wäre. In der Nase ein leichtes Kribbeln, der Hals kratzt, aber was soll's. Die Pflicht ruft, die Arbeit kann nicht warten. Also rein in die U-Bahn. Und da wird plötzlich alles noch viel schlimmer. Eine Frau nämlich schaut einen an und fragt tatsächlich: "Wollen Sie sich setzen?" Da bist du dann nicht mehr bloß erkältet, sondern regelrecht verschnupft.

Man lehnt dieses freundliche Angebot natürlich ab, bleibt wacker stehen und fängt das Grübeln an. Wäre ein jugendlicheres Outfit hilfreich, so eine bunte Baggyhose oder ein Hoodie mit einem hippen Aufdruck, dazu Sportschuhe in Pink? Oder verrät jeder sein wahres Alter, der nicht ständig über sein Smartphone wischt und deshalb seine Ohren auch nicht verstöpselt?

Aber schauen wir uns doch mal diese Frau genauer an, die das tut, was früher Männern vorbehalten war, nämlich seinen Sitzplatz höflich denjenigen anzubieten, die es nötiger haben. Männer sind früher durchaus aufgestanden, um einer Frau die Pein zu ersparen, in Stöckelschuhen der Fliehkraft zu trotzen, die eine Trambahn in engen Kurven entwickelt. Heute müssen Frauen entweder gebrechlich oder aber schwanger sein, damit sich Männer zu der Höflichkeit von einst aufraffen.

Die Frau in der U-Bahn also ist so in den Fünfzigern. Auf ihrem Schoß eine Umhängetasche mit dem Aufdruck "BMW Sauber F 1 Team". Das ist doch längst Geschichte! Dieses Team war von 2006 bis 2009 alles andere als erfolgreich in der Formel 1. Bei 70 Starts sprang nur ein Sieg heraus, 2008 in Montreal. Solche Verlierertypen kann man doch nicht mehr herumzeigen!

Unsereins sucht jetzt nach neuen Strategien für die U-Bahn. Denkbar, seinen Platz anderen Männern, egal welchen Alters, anzubieten. Oder doch Frauen, egal welchen Alters. Sollte es eine sein, die nicht blutjung ist, sondern so mittendrin, kann man sich die Folgen ausmalen. Sie wird sich widerstrebend setzen, dann aber auf ihrem Smartphone das nächste Kosmetikstudio googeln - oder am besten gleich den Schönheitssalon mit der besten Anti-Aging-Therapie.

© SZ vom 26.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: