Mitten in München:Rettet das Kleingeld

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Seit alle Welt aus Hygienegründen nur noch mit Karte bezahlt, fehlen die Cent- und Eurostücke fehlen oft sehr: für den netten Paketboten, für die Biss-Verkäuferin am U-Bahnhof, für den Operstock in der Heilig-Geist-Kirche.

Kolumne von Renate Winkler-Schlang

Normalerweise horten wir das Kleingeld, schon für unseren geliebten Samstagsbummel auf dem Daglfinger Flohmarkt. Oder für einen Parkautomaten. Derzeit aber kaufen wir nur Lebensmittel. Und dazu gehört in diesen Tagen neben der Maske nur die Scheckkarte. Bargeldlos zahlen ist erwünscht. So kam es, dass das Kleingeldfach in der Börse längst leer ist, der letzte reale Fuffi seit Wochen nicht angebrochen wurde, wir keine Münzen zurückbekommen haben.

Doch die kleinen Cent- und Eurostücke fehlen so oft. Da war neulich dieser nette Paketbote, dem man gerne etwas Trinkgeld gegeben hätte - statt Klatschen sozusagen. Da war, beim ersten Weg in die Innenstadt nach sehr langer Zeit, die Biss-Verkäuferin am U-Bahnhof. Ob die hätte einen großen Schein wechseln können? Weiterlaufen, das Problem auf später vertagen. Rechts unter den Arkaden hinterm Marienplatz kauert eine Bettlerin mit ihrem Hund, sogar mit Mund- und Nasenbedeckung, wie es sich neuerdings gehört. Gerne hätten wir ihr etwas in ihre Schale gegeben. Aber einen Fünfziger?

In der Heilig-Geist-Kirche am Viktualienmarkt haben sie den Eingang mit Pfeilen markiert, die Bänke alle auf die rechte Seite geschoben, vereinzelt Stühle aufgestellt. Doch links vor dem Altar der von vielen als wundertätig verehrten Hammerthaler Maria steht noch eine Bank quer. Zu Maria will man nicht nur beten für seine Lieben und sich, man will das Bitten um Gesundheit mit einer kleinen Kerze unterstreichen. Ein Fufzgerl im Opferstock würde das kosten. Nur, man hat kein Fufzgerl. Keinen Euro, keinen Zwickel. Und weit und breit keiner, dem man sich nähern mag mit der schnöden Frage um Wechselgeld, noch dazu in einem Gotteshaus. So bleibt die Hoffnung, dass die Mutter Gottes auch ohne Lichtlein hilft.

Draußen am Obststand lachen einen die Erdbeeren aus Italien an, dem unerreichbaren Traumland. "Diese Schale bitte. Und darf ich bar zahlen?" Die nette Verkäuferin bejaht: Man solle sogar. Endlich wieder ist er schwer, der Geldbeutel, endlich klimpert wieder Kleingeld darin. Für alles, was wichtig ist. Und die Erdbeeren waren obendrein echt lecker.

© SZ vom 12.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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