Mitten in München:Putzen für King Ludwig

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Schwindeleien gelten nicht unbedingt als Tugend - machen aber manchmal unheimlichen Spaß. Zum Beispiel, wenn man chinesischen Touristen Ida Schumacher als Putzfrau des Märchenkönigs verkauft

Von Jutta Czeguhn

Die Venezianer, heißt es, würden sich einen Spaß daraus machen, Touristen in die Irre zu lotsen. Bis sie verzweifelt in einer einsamen Gasse an irgendeinem ominösen Canal stehen und diese Stadt verfluchen. Touristen zu quälen, oder sie zumindest ein wenig für dumm zu verkaufen, diese Versuchung kann einen auch als Münchner befallen. Manchmal ergibt sich dazu Gelegenheit ganz ohne bösen Vorsatz, denn so etwas macht man eigentlich nicht, ja, es ist völlig inakzeptabel - und es macht höllischen Spaß.

Am Viktualienmarkt, beim Brunnen von Ida Schumacher: Die Statue der legendären Münchner Volksschauspielerin ist hübsch dekoriert mit bunten Bändern, jemand hat ihr eine Kette um den Hals gehängt. Weil's so apart aussieht, macht man ein Handyfoto, einfach so, aus einer Laune heraus. Doch bleibt dies nicht unbemerkt, eine Gruppe chinesischer Touristen tut es einem nun gleich. Die steinerne Dame mit Besen und Eimer muss ein berühmter Mensch gewesen sein. "Who was that lady?", will einer der Chinesen wissen. Soll man ihm die Geschichte von Ida Schumacher erzählen, die man selbst nur in vagen Umrissen kennt? Wie erklärt man auf Englisch "Trambahnritzenreinigungsdame"?

So entschließt man sich, der Ida eine neue Biografie zu verpassen: "Sie war eine Putzfrau! A cleaning woman!" Der Chinese schaut recht verwundert: "In München bekommen Putzfrauen ein Denkmal?" - "Nun, sie war keine gewöhnliche Reinigungskraft", fährt man also fort, "sie war die Putzfrau von König Ludwig II". Ein Raunen geht durch die chinesische Gruppe. King Ludwig, von ihm haben sie gehört. Man setzt noch einen drauf: "Ida Schumacher hat alleine das ganze Schloss Neuschwanstein geputzt! The whole castle!" Die Chinesen sind extrem beeindruckt, nur einer - er hat schon die ganze Zeit hektisch in seinem München-Führer geblättert - legt die Stirn in Falten. Dann sagt er etwas auf Chinesisch zu seinen Leuten. Mit einem Mal schlägt die Stimmung um, die Chinesen schauen indigniert und ziehen hastig weiter. Zurück bleibt die steinerne Ida, die den Mund so spöttisch offen hat, als wollte sie einem sagen: "Du scheinheilige Mistamsel, Du!"

© SZ vom 27.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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