Mitten in München:Leuchtende Idee

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Wo bleibt das Licht, wenn immer mehr Häuser in der Stadt aufgestockt werden? Sollte man mit Parabolspiegeln die Sonne bündeln und in die Häuserschluchten leiten? Das Planungsreferat hält davon leider wenig

Von Hubert Grundner

München wächst, um nicht zu sagen, München wuchert. Und da die Stadt kaum noch in die Breite wachsen kann, muss sie halt in die Höhe streben. Stadtbaurätin Elisabeth Merk hat das scheinbar Unvermeidliche mit dem Begriff Nachverdichtung auf den Punkt gebracht. Damit sind freilich nicht alle Münchner glücklich, vor allem nicht die direkt Betroffenen. Sie sprechen deshalb auch lieber von Nachtverdichtung, wenn das neu errichtete Nachbarhaus die eigene Heimstatt um so viele Stockwerke überragt, dass fortan kein Sonnenstrahl mehr den Weg ins Wohnzimmer findet. Doch so geht es eben zu in einer marktkonformen Demokratie. Deren entschiedenste Verfechter nehmen sich ja gerne mal die Freiheit, von ihrem lichtdurchfluteten Penthouse aus andere Mitglieder der Gesellschaft in eine Existenz als Grottenolm zu zwingen. Da kann man dann praktisch nichts machen, sagt sogar die SPD. Man muss doch Wohnraum schaffen.

Glücklicherweise gibt es aber nicht nur Jammerlappen, die ewig dem letzten wärmenden Kuss der Sonne hinterherflennen. Nein, manche Menschen entdecken selbst in den finstersten Momenten noch einen Hoffnungsschimmer. So wie eine Bewohnerin der Perlacher Straße. Seit gegenüber ein siebenstöckiges Gebäude der neuen Agfa-Siedlung hochgezogen wurde, fällt auf sie in dem nur vierstöckigen Haus ein großer Schatten, mehrere Wintermonate lang. "Das geht auf das Gemüt", hatte sie dem Bezirksausschuss mitgeteilt, aber angefügt: "Ich weiß, meckern hilft nicht." Weshalb sie auch gleich den Vorschlag machte, dem großen Schattenspender von gegenüber erst mal eine aufs Dach zu geben: Die Aufbauten könnten doch mit Spiegelfolie beklebt oder Reflektoren aufgestellt werden, um wieder etwas Licht in die tieferen Etagen der Nachbarschaft zu bringen. Es müsse doch nicht sein wie in der Dreigroschenoper: "Denn die einen sind im Dunklen, und die andern sind im Licht . . ."

Wie nicht anders zu erwarten, hat das Planungsreferat auf die erhellende Initiative der Giesingerin völlig ideen- und humorlos reagiert: Da schiebt sich nix. Zum Trost der Antragstellerin gab es nicht einmal eine Literaturempfehlung. Nahliegend wäre das Buch von Günter Wallraff und Bernt Engelmann gewesen: "Ihr da oben - wir da unten".

© SZ vom 06.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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