Mitten in München:Im Auge des Betrachters

Wer geht schon auf ein Konzert, wenn er nichts anderes vorhat, als dort sexistische Sprüche loszuwerden?

Von Wolfgang Krause

Dass die Savages eine grandiose Liveband sind, hat sich herumgesprochen. Das Konzert der Londoner Frauenband in München ist ebenso ausverkauft wie die Auftritte in anderen deutschen Städten davor. Im "Strom" an der Lindwurmstraße herrscht drangvolle Enge. Schon während des Auftritts der japanischen Vorband halten die Leute einem ihre Smartphones vors Gesicht, weil sie filmen.

Als dann endlich die Savages zu spielen beginnen, ist das Filmen zumindest in der Nähe der Bühne keine gute Idee. Dort tanzen die jungen Hardcore-Fans so wild, dass einer Frau beim Versuch, ein Foto zu machen, das Handy runterfällt. Als doch schon etwas älterer Mensch sucht man sich lieber ein ruhigeres Plätzchen hinten in der Ecke - und hat nach kurzer Zeit wieder einen Bildschirm im Gesichtsfeld.

Aber der dickliche junge Mann mit der Nerdbrille, der die ganze Zeit schon den Eindruck macht, als sei er auf dem falschen Konzert, filmt nicht. Er chattet und tippt übelste sexistische und homophobe Sprüche in sein Gerät - gemünzt auf die Sängerin, die von ihren Fans jetzt auf Händen von der Bühne bis in die Mitte des Saals getragen wird.

Warum macht er das? Warum zahlt einer 25 Euro für eine Konzertkarte, um dann schlecht gelaunt in der Ecke zu stehen und seine dumpfen Vorurteile rauszukotzen? Man wird nicht schlau aus dem Typen. Da greift er wieder zum Telefon und tippt die Antwort ein. Offensichtlich hat ihn jemand gefragt, wo er gerade ist, denn er schreibt: "Konzert. So ne Lesbenband. Thomas hat Karten gewonnen." Oh Mann.

© SZ vom 15.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: