Mitten in München:Gruselmärchen unserer Tage

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Ob die Geschichte vom toten Mops, der in einer Prada-Einkaufstasche endet und von Dieben geklaut wird, tatsächlich stimmt - wer weiß. Sicher ist allerdings, dass sie zumindest gut erfunden ist und deshalb immer wieder die Runde macht

Von Hubert Grundner

Was haben Donald Trump, die Gisela aus Berg am Laim, ihre Freundin Fanni aus der Oberpfalz sowie deren Mops gemeinsam? Nun, sie sind Protagonisten eines, wie es neuerdings heißt, postfaktischen Diskurses. Das heißt, es wird gelogen, dass sich die Balken biegen. Auf den nächsten US-Präsidenten mag das zutreffen. Über Gisela aber, die Freundin einer Freundin einer Bekannten der Schwiegermutter eines Kollegen, soll nicht vorschnell der Stab gebrochen werden.

Die Geschichte jener Gisela, so wie sie von der Schwiegermutter vortragen wurde, beginnt damit, dass sie von Fanni besucht wird. Von Kindesbeinen an sind die beiden Frauen einander engste Vertraute. Kurzum, die Gisela freut sich narrisch, als am Hauptbahnhof der Zug aus Weiden eintrifft und sie die Fanni in die Arme schließen kann. Einem lange geübten Ritual folgend, verstaut die Besucherin als erstes ihre Reisetasche in einem Schließfach. Anschließend schlendern die beiden zum Stachus und von dort an den Schaufenstern entlang die Fußgängerzone hinunter, wo sie in der Nähe des Rathauses einkehren wollen.

Doch so beschwingt die Freundinnen diesen Spaziergang früher absolvierten, so zäh und stockend nähern sie sich dieses Mal ihrem Ziel. Schuld daran ist Fannis anderer Begleiter, der Mops Schorsch, den sie im wahren Sinn des Wortes "im Schlepptau" hat: Denn von Ladentür zu Ladentür verlassen Schorsch erkennbar die Kräfte. Erst hat Fanni noch tausend gute Worte für ihren Liebling, dann muss zur Mobilisierung ein Packerl Leckerlis herhalten. Am Ende hilft nur noch Ziehen und Zerren an der Leine, um Schorsch ein kleines Stückchen weiter zu bewegen.

So weit so schlecht, und es sollte noch schlechter kommen: Vor dem Kaufhaus Beck reicht's Schorsch, er fällt tot um. Rotz und Wasser hat da die Fanni geweint, und bald sind auch der Gisela die Tränen übers Gesicht gelaufen. Zwei Verkäuferinnen, die das Drama beobachtet hatten, eilten herbei, trösteten die Damen, wickelten dann beherzt den toten Hund in Seidenpapier und verstauten ihn in einer Prada-Einkaufstasche. Die Lust aufs Shoppen war da freilich verflogen, die Freundinnen wollten nur noch nach Hause. In der S-Bahn nach Berg am Laim herrschte indes so großes Gedränge, dass sie stehen mussten und kaum Platz fanden, um Schorsch in seinem Luxus-Sarkophag abzustellen. Wie groß aber ist das Entsetzen, als sie beim Aussteigen feststellen, dass die Prada-Tasche und mit ihr der tote Mops verschwunden ist...

Hier endete der Bericht vom München-Besuch der Oberpfälzerin. Ob sich alles tatsächlich so zugetragen hat? Nun ja, dieses moderne Gruselmärchen geisterte schon vor drei Jahren durch die Münchner Medien. Die Frau, die ihren toten Mops in einer Prada-Tüte nach Hause bringen wollte, fuhr damals aber nach Solln - und nicht nach Berg am Laim.

© SZ vom 29.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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