Mitten in München:Eine Linie zum Quietschen

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Auch wenn die Trambahnen gerade knapp sind - nicht mit jedem Fahrzeug möchte man durch die Stadt gondeln

Kolumne von Anita Naujokat

Nagelneue 22 Trambahnzüge stehen derzeit in den Depots und Werkstätten der MVG herum, weil ihre Zulassung noch etwas dauert. Da wird alles Mögliche geprüft, von Gefahren bis hin zum Reinigungsmittel der Scheiben. Sehr zum Leidwesen des Münchners, geplagt von übervollen Trams und Zugausfällen. Und doch hätte man jüngst eine von ihnen am liebsten sofort aus dem Verkehr ziehen lassen.

Noch klingelten einem beim Umsteigen in die 19er die Ohren von den vier amerikanischen Touristen auf der Linie 20, die sich so laut unterhalten hatten, dass sämtliche Gespräche zum Erliegen kamen, Fahrgäste resigniert die Handys wegpackten. Die Entspannung in der 19er währt nur kurz. Denn die Stimmlage des Fahrzeugs toppt den Bass der Amerikaner, allerdings um einige Frequenzen höher: Die Bahn quietscht und kreischt auf ihrer Fahrt nahezu ununterbrochen.

Verzweifelt versucht der Fahrgast ein System zu erkennen, um sich rechtzeitig die Ohren zuhalten zu können. Fehlanzeige. "Iiiiih" tönt es beim Einschwenken zum Lenbachplatz und durch die Fußgängerzone, das sich auf geradem Abschnitt durch die Maximilianstraße unüberhörbar zum "iiihhiiihhiii" steigert. Dazu ist die Klimaanlage derart stark eingestellt, dass man schier schockgefrostet wird.

Vor der Wendeschleife am Bahnhof Berg am Laim presst man in Erwartung der größten Hölle die Hände fest auf die Ohren. Doch, oh Wunder, dort quietscht die Bahn ausnahmsweise nicht. Beim Endhalt wäre man am liebsten sofort zum Fahrer gegangen, um ihn zu bitten, die Wagen schleunigst in die Werkstatt zu bringen, tat es aber nicht. Im Ohr hatte man noch das Lamento anderer Fahrer beim Schichtwechsel am Hauptbahnhof, weil Klimaanlagen ausgefallen sind, nur hinten oder im mittleren Zugteil funktionierten, während sie vorne in ihrer Kabine vor Hitze fast eingingen.

Diesem wollte man die Schicht in seiner Straßenbahn in gut gekühlter Luft gönnen. Doch hätte man nur etwas gesagt: Eine Woche später saß man wieder in diesem Quietsch-Gefährt. Einzig die Klimaanlage blieb stumm.

© SZ vom 18.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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