Mitten in München:Botschaften vom Laufband

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Im Untergrund zeigen sich die wahren Meister im Stromsparen und Klimaretten - dem kann man nur mit Gleichmut begegnen

Kolumne von Berthold Neff

Es genügt derzeit ein Blick aus dem Fenster, um auf der nach unten offenen Pessimismus-Skala weiter abzurutschen. Dicke Wolken versperren die wärmende Sonne, ab und an jagen sie einem einen Schauer über den Rücken, wahlweise als das übliche Regenwasser oder neuerdings als Schnee. Kann es angesichts dieser widrigen Umstände an der Oberfläche eine gute Idee sein, in den Untergrund abzutauchen?

Nun ja, wer im Südwesten der Stadt wohnt und an ihrem östlichen Rand arbeitet, kommt an der U-Bahn nicht vorbei. Man trottet noch leicht schlaftrunken zur U-Bahn-Station und versucht trotzdem, das Weltklima zu retten, indem man die stromfressende Rolltreppe vermeidet. Unten angekommen, muss man neidlos anerkennen, dass die Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) in Sachen Stromsparen schon viel weiter ist, sie lässt immer wieder ganze Züge ausfallen. Da kommt schon was zusammen an Kilowattstunden, bei einer langen U-6-Fahrt vom Klinikum Großhadern bis Garching Forschungszentrum!

Angekündigt werden diese Sparmaßnahmen auf den Laufbändern der Infotafeln so: "Derzeit kommt es vereinzelt zu Zugausfällen und Verspätungen." Ist es schlimm, wenn man deswegen zu spät zum Zahnarzt kommt? Sicher nicht. Deshalb ist es auch völlig überflüssig, dass die MVG der Hiobsbotschaft mit den Verspätungen ein "Wir bitten, dies zu entschuldigen" folgen lässt. Die Enge, die sich zwangsläufig einstellt, wenn ein Zug ausfällt und deshalb doppelt so viele Fahrgäste den nächsten entern, ist nicht so schlimm. Man braucht sich nicht festzuhalten, denn die mitreisenden Mitmenschen sind die beste Stütze. Und wo könnte man besser testen, ob das schmerzhafte Hühnerauge auf dem rechten großen Zeh schon soweit verheilt ist, dass es den beherzten Tritt eines spitzen Damenstöckels klaglos verkraftet?

Und wenn man es angesichts dieser Enge nicht schafft, am Marienplatz auszusteigen, weil die Durchgänge hoffnungslos verstopft sind - was soll's. So sieht man mal wieder den Odeonsplatz, wenngleich nur von unten. Und von hier ist es mit der U 5 zum Ostbahnhof nicht weit. Es kann aber dauern. Das Laufband meldet zuverlässig: "Derzeit kommt es vereinzelt ..."

© SZ vom 14.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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