Mitten in Milbertshofen:Buchstabe zu verschenken

Lesezeit: 1 min

Mitunter hat eine Wartezeit auch positive Aspekte - man kommt zur Ruhe, sinniert, findet gelegentlich sogar neue Dinge über sich selbst heraus

Von Kolumne von Nicole Graner

Das lange Warten im Bürgerbüro - auch wenn man jetzt online Termine vereinbaren kann - ist immer wieder ein paar Beobachtungen wert. Hier an der Riesenfeldstraße lässt sich gut beobachten, wie die Menschen mit den vergeudeten Minuten ihrer Lebenszeit umgehen. Die Wartenden lassen sich gut in Kategorien einteilen. Da wären die stets Ungeduldigen. Sie wippen mit den Beinen, zupfen an sich herum, stehen auf und setzen sich wieder. Vergleichen die Nummern, die auf der Anzeigetafel aufploppen, mit ihrem Zahlen-Schnipsel. Die total Gelassenen wiederum lesen, spielen Solitär, hören Musik. Und die Mitteilsamen, die um jeden Preis ein Gespräch mit dem Nachbarn anfangen wollen. Anders als die Freundlichen, die ihr Gegenüber nur aufmunternd anlächeln. Naja, die Grantigen gibt es auch. Sie schimpfen ständig leise vor sich hin - je nach Länge der Wartezeit immer lauter.

Zurück zur Zeit. Von wegen vergeudet. Die Minuten des Wartens lassen einen zur Ruhe kommen, noch einmal innehalten, warum man überhaupt im Bürgerbüro ist. Da geht es zum Beispiel um einen einzigen Buchstaben im Namen Mechtild - einem Ableger von Mechthild. Im Personalausweis steht er ohne, im Reisepass mit h. Richtig ist er in diesem Fall ohne h, so steht es im Familienbuch. Für eine Reise ins ferne Afrika müssen die Dokumente aber stimmen. Also beides neu beantragen. Und dann sinniert man über seinen dritten Vornamen, den man nie so recht mochte. Warum man so heißt und was er wohl bedeuten könnte? Man greift zum Handy und betreibt Namensforschung.

Da steht, dass Mechtild/Mechthild aus dem Althochdeutschen kommt, die alte Form von Mathilde und eine Zusammensetzung aus "maht" (Macht) und Hiltja (der Kampf) ist und so viel heißt wie "die mächtige Kämpferin". Nicht schlecht. Klingt gut. Mit h oder ohne! Eigentlich könnte man dann jetzt gehen. Warum noch das h herauslöschen, hat doch die gleiche Bedeutung? Aber weiß man das in Afrika? Sicher ist sicher. Dann ist man dran - und erklärt der Sachbearbeiterin auf die Frage, was das denn für ein Name sei, stolz die Bedeutung. Das Warten hat sich gelohnt - plötzlich mag man seinen Namen.

© SZ vom 24.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: