Erst vor Kurzem beklagte das Oberhaupt der katholischen Kirche die generative Verweigerungshaltung westlicher Industriegesellschaften. Er führt die Unlust am Kinderzeugen vor allem auf die zunehmende Selbstbezogenheit auch deutscher Frauen und Männer zurück. An grau melierte Herren mit Platzhirsch-Syndrom als Verhütungsgrund wird er wohl nicht gedacht haben. Dabei könnte es durchaus sein, dass die junge Mutter, die einem solchen Exemplar dieser Tage in einem Café am Wiener Platz begegnete, sich in Zukunft standhaft weigern wird, weiteren Nachwuchs in die Welt zu setzen.
Die Frau hatte in der dank Brückentag völlig überfüllten Lokalität einen kleinen Tisch an der Rückseite der Bar ergattert. Ihr Baby packte sie sich auf den Schoß, den Buggy stellte sie platzsparend an die Theke, neben die angrenzenden Barhocker. Mit stoischer Ruhe füttert sie das wenige Monate alte Mädchen mit Breze und Obstbrei und sich selbst mit Kaffee und Kuchen - bis ein offensichtlich gut situierter Mann in Lederjacke - Generation Best Ager - auf die Barhocker zusteuert und die Mutter nach einem genervten Blick auf den Kinderwagen auffordert, diesen zu entfernen. Die junge Frau zieht den Buggy etwas weiter zu sich heran, aber das genügt dem Stammgast offenbar nicht.
Das Objekt müsse weichen, schließlich sitze er immer auf diesem Barhocker. Dass fünf weitere baugleiche und nicht besetzte Sitzmöbel zur Verfügung stehen, interessiert wenig. Also kapituliert die in die Defensive gedrängte Mutter und bugsiert den Kinderwagen mit ihrer Tochter auf dem Arm auf den Gehweg vor das Café. Anschließend trinkt sie ihren Kaffee aus, schon sichtlich frustriert. Zumal sie zusehen muss, wie der Platzhirsch nicht sich selbst auf dem zuvor reklamierten Barhocker platziert, sondern seine Lederjacke. Er rückt einen Stuhl weiter - vielleicht um noch mehr Abstand zu dem Wesen einzuhalten, das dereinst seine Rente zahlen muss. Wer sich so benimmt, kriegt zwar immer einen Platz - aber vielleicht irgendwann keine Rente mehr.