Mitten in Haidhausen:Die Ampel des Wahnsinns

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Auch auf der Datenautobahn kann es Unfälle und Stau geben - mitunter sogar mit Auswirkungen auf Kreuzungen in der analogen Welt

Kolumne von Johannes Korsche

Wenn es auf Autobahnen zu Unfällen kommt, ist das, was folgt, weithin bekannt und eingeübt: Straßensperrung, genervte Autofahrer, Stau - hoffentlich kein Personenschaden. Pendler oder Urlauber wünschen sich Mobilität, sind aber eingebremst von der unverrückbaren Stoßstange des vorderen Autos, gefangen in der Immobilität des Staus. Nun gibt es seit ein paar Jahren angeblich auch andere Autobahnen, digitale zum Beispiel. Irgendwann taufte man ja die Welt des Internets, der Bits and Bytes, der von Einsen und Nullen bevölkerten Software etwas ungelenk "Datenautobahn". Trotz des Namens ist da aber enttäuschenderweise kein Auto weit und breit zu sehen. Nichtsdestotrotz sind die realen Folgen eines Unfalls auf dieser digitalen Autobahn - um im Bild zu bleiben - aber mitunter dieselben, wie bei einem Autounfall mit Blechschaden: unverrückbare Stoßstangen, genervte Autofahrer - hoffentlich kein Personenschaden.

Ein Beispiel liefert da die Ampel an der Kreuzung Einstein- und Grillparzerstraße. Die Software, die regelt, wann die Ampel welches Signal gibt, wurde Mitte Dezember neu eingespielt. Das teilt das Kreisverwaltungsreferat mit. Weil es aber einen "noch nicht näher bestimmbaren Fehler" in dieser neuen Software gab - die Einsen und die Nullen auf der Datenautobahn also gewissermaßen einen Auffahrunfall produzierten -, überlegte es sich das Steuerungsprogramm kurzerhand anders und ließ die Ampel im sogenannten Notprogramm leuchten. Ganze drei Tage war die Ampel dem Wahnsinn verfallen. Sie blockierte die Kreuzung etwa für abbiegende Trambahnen, die aber gar nicht da waren. Denn nicht-existente Trambahnen haben nun einmal vor tatsächlich wartenden Autos Vorrang. Vielleicht, um den nicht-existenten, öffentlichen Nahverkehr attraktiver zu gestalten. Wer freut sich schon, wenn seine imaginäre Trambahn zu spät kommt? Nun wird es den sinnlos wartenden Münchnern kein Trost gewesen sein, aber etwas kann man von der wahnsinnigen Ampel in Haidhausen lernen: Die Trennung zwischen digitaler und analoger Welt ist inzwischen sogar bei Ampeln überholt.

© SZ vom 28.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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