Mitten in Haidhausen:Angegilbte Zeiten

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In manchen Ausstellungen trifft man sie noch, die ganz besonderen Menschen

Kolumne von Renate Winkler-Schlang

Resturlaub und der Christbaum ist abgeschmückt: Endlich Muße für die Ausstellung über Haidhausen, den "vielleicht spannendsten Stadtteil Münchens", wie Hermann Wilhelm die Schau im Gasteig zum 40-jährigen Bestehen seines Haidhausen-Museums liebevoll-stolz nannte. Tafeln mit angegilbten Schwarz-Weiß-Fotos von zerbombten Häusern, von wichtigen Personen wie Manfred Schnelldorfer, Olympiasieger im Eiskunstlauf 1964. Zeitungsausschnitte und mit Schreibmaschine geschriebene, mehrfach gestempelte Dokumente zeugen von der Vergangenheit eines Viertels, das sich arg verändert hat.

Was waren das für Zeiten, in denen im Hofbräukeller über "Halbstarke" diskutiert wurde, als der Banküberfall mit Geiselnahme an der Prinzregentenstraße passierte und Franz Josef Strauß von der Terrasse beim Käfer aus zugeschaut hat, als die Gastarbeiter kamen und mit ihnen die Tavernen, dann Sanierer, Mieterdemos. 1984 war der Gasteig fertig.

Viele schwelgen in der Schau in Erinnerungen. Zwei stechen heraus. "Ich hab' das alles noch gekannt, die alten Häuser", sagt sie und deutet auf ein großformatiges Foto der Rosenheimer Straße. "Ich erinnere mich noch gut", seufzt er. Sie, etwas größer, trägt eine Zweirechtszweilinks-Strickmütze über grauen Dauerwellen-Löckchen, einen lilafarbenen Mantel mit bauschig weiten Ärmeln und Trachtenknöpfen, dazu Fellboots. Er hat eine Schiebermütze auf dem Kopf, schaut durch eine Nickelbrille mit kreisrunden Gläsern. Sie wirken und sie reden wie direkt aus der in Haidhausen spielenden Serie "Die Hausmeisterin" entsprungen, die 1987 das erste Mal lief. Dass es solche besonderen Typen in Haidhausen heute noch gibt, denkt man dankbar: Doch nicht alles durchgentrifiziert inzwischen? Aber vielleicht sind die beiden längst nach Niederbayern gezogen und kommen aus Nostalgiegründen in ihre frühere Heimat? Während man sinniert, verschwindet sie auf der Toilette. "Wieso eigentlich soll der Gasteig saniert werden?", fragt sie ihn, als sie zurückkehrt: "Ist doch alles noch pfenniggut hier. Sogar der Teppichboden."

© SZ vom 12.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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