Mitten in Hadern:Der gute Ton zur Liebe

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In der Vogelwelt geht's gerade drunter und drüber. Und alles nur, weil die Kohlmeisen-Männchen den Kohlmeisen-Weibchen um jeden Preis imponieren wollen

Von BERTHOLD NEFF

Es ist unüberhörbar und ersetzt, sofern man bei offenem Fenster schläft, jeden Wecker: Die Musik der Singvögel tönt durch die Morgenluft. Das Konzert dient, so sagen es die Ornithologen, nicht unserer Erbauung, sondern erfüllt denselben Zweck wie bei uns Menschen die neueste, gewagte Mode oder das Nachbessern beim Schönheitschirurgen - bei der Balz den Mann oder die Frau fürs Leben zu finden.

So ist das auch bei der Kohlmeise. Sie wiegt zwar kaum 20 Gramm, es gelingt ihr aber durch die Farbenpracht ihres Gefieders immer wieder, monogame Saisonehen einzugehen. Das beste Outfit nutzt aber nichts, wenn man kein Liebesnest vorzuweisen hat, speziell in München mit seiner Wohnungsnot. Kein Wunder also, dass die Kohlmeisen den Nistkasten dort oben im Baum dankbar in Beschlag genommen haben.

Aber warum klopft der kleine Kerl wie ein Besessener auf das Holz rings um das Flugloch ein? Experten versichern, dass es keineswegs daran liegt, dass ihm das Flugloch zu klein erscheint. Er will, so ihre Analyse, mit diesem Imponiergehabe lediglich beeindrucken. Vielleicht will er die Illusion erwecken, er selber habe diesen Nistkasten erschaffen? Bei uns Menschen ist es ja ähnlich. Wir schleppen aus schwedischen Möbelhäusern irgendwelche Einzelteile heran und versuchen, diese anhand unverständlicher Piktogramme zu einem Ganzen zu fügen, das wir anschließend als eigene Kreation ausgeben: Schau her, das habe ich geschafft!

Was den Nistkasten hoch oben in der Gleditschie betrifft, muss man als Mensch allerdings zugeben, dass seine Resonanz zu wünschen übrig lässt. Es ist hier wie in der Philharmonie im Gasteig, von bestimmten Plätzen aus hört man gar nichts, und im Übrigen klingt es so stumpf, dass es allenfalls unmusikalische Kohlmeisen-Frauchen antörnt.

Wir werden daher beim nächsten Nistkasten die Gesetze der Akustik beachten und dabei vorgehen wie einst der Geigenbauer Antonio Stradivari. Wir nehmen Ahornholz, das nach langem Wachstum in kühlem Klima bei Neumond geschlagen wurde, vorzugsweise aus den Dolomiten. Alles andere wäre unverantwortlich. Denn ohne den richtigen Ton findet das Kohlmeisen-Männchen nicht die richtige Partnerin. Und im nächsten Jahr fehlt dann beim Frühjahrs-Konzert eine ganze Nachwuchs-Band.

© SZ vom 31.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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