Mitten in Hadern:Amseln im Weink(r)ampf

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Gartenfreunde, die sich wegen gefiederter Plagegeister ständig Sorgen um ihre Weintrauben machen, können Hoffnung schöpfen: Verpackungskünstler Christo weist den Weg

Von Berthold Neff

Der Mensch ist zuweilen doch ein ziemlicher Egoist. Besonders dann, wenn es darum geht, den Kampf um die immer knapper werdenden Ressourcen gegen die Tierwelt auszutragen. Es gilt, den schleimigen Nacktschnecken den Appetit auf den üppig gediehenen Salat zu verleiden. Das mündet meist, da eine Kommunikation mit ihnen kaum möglich ist und sie das Grünzeug partout nicht verschonen wollen, in eine fatale Auseinandersetzung, mit Schneckenkorn als Mordwerkzeug.

Und wer im Herbst Trauben ernten und zu einem ordentlichen Hauswein keltern will, kommt nicht umhin, das künftige Lesegut vor den Amseln zu schützen. Die haben nämlich nicht nur spitze Schnäbel, sondern auch scharfe Augen, außerdem ist ihnen Farbenblindheit völlig fremd. Deshalb reagieren sie gnadenlos schon auf den ersten Blauton an den noch grünen Trauben und wenden sich, sobald statt der erhofften Süße eine aggressive Säure ihren Schnabel verätzt, der nächsten Beere zu. Vielleicht ist ja die süß. Oder die nächste.

Was tun? Was wäre, wenn man jede einzelne Traube in Christo-Manier verpackte, so dass die Beeren im Inneren vor den Angriffen der schwarzgefiederten Plagegeister mit dem schönen Gesang sicher wären? Eine blendende Idee. Es dauerte an einem lauen Sommerabend einige Zeit, bis jede Traube in einem 20 mal 30 Zentimeter großen, weißen und lichtdurchlässigen Organzabeutel verschwunden war. Am Tag danach folgte frühmorgens die Bescherung. Drei Amseln hoppelten ratlos unter den Weinstöcken umher und zogen, da sie sich um ihr Frühstück gebracht sahen, mit vorwurfsvollen Blicken von dannen.

Seitdem sind sie nie wieder erschienen, was zeigt, dass sie durchaus lernfähig sind. Sie hatten wohl noch an jenem Morgen Kriegsrat gehalten und kapituliert, weil sie angesichts der fast 100 Geschenkbeutel annahmen, dass ihnen nun alle Trauben verschlossen sind. Ein paar Henkel, hier kann man es ja sagen, sind nicht verhüllt. Und die Beutel sind nicht verplombt, sondern nur mit einer Schleife zugeschnürt. Bleibt nur noch eine Gefahr: Dass sie spitzkriegen, wie man eine Schleife löst.

© SZ vom 17.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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