Mitten in Gräfelfing:Kunst und Korrosion

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Für den Künstler Sebastian Bürck wurde es zum Problem, dass der Sommer zu schön war und nicht genügend Regen bot, damit er einen Rolls-Royce zur Rostlaube machen konnte. Erst das nasse Wochenende ließ ihn aufatmen

Von Annette Jäger

Ob das Wetter gut ist oder schlecht, empfindet jeder anders. Über die konstante Sommerhitze vorvergangene Woche aber haben sich die meisten wohl gefreut. Für Sebastian Bürck aus Gräfelfing hingegen war es das mieseste Wetter, das er sich vorstellen konnte. Er hatte sich auf den üblichen durchwachsenen bayerischen Frühsommer verlassen, mit zahlreichen Regengüssen. Sein Kunstprojekt auf dem Gräfelfinger Bahnhofplatz vor dem Bürgerhaus war darauf ausgerichtet.

Aus einem Rolls-Royce Silver Shadow, Jahrgang 1977, dem Symbol des Reichtums schlechthin, wollte er eine Rostlaube machen, einen "rusty rolls". Eisensulfat in Granulatform, Sauerstoff und Wasser sollten es richten. Was fehlte, war das Wasser. Kaum ein Tröpfchen Regen eine ganze Woche lang. Wasser aus der Sprühflasche verdunstete sofort. Mehr als ein zarter Rostschleier war nach sieben Tagen nicht auszumachen. Fiese Sache, meinte der Künstler.

Kaum ging die Woche zu Ende, bildeten sich dicke Regenwolken am Himmel - am Montag jedoch war die Ausstellung schon vorbei, Bürck transportierte den Wagen in den Garten der Ateliers an der Steinkirchner Straße. Seitdem regnet es immer wieder, und jetzt rostet auch der Luxusschlitten, wie Bürck sich das gewünscht hat. Eine sanfte Rostschicht überzieht ihn bereits, und der Prozess schreitet zügig voran, wenn auch jetzt unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Mit weiteren Rost-Pausen ist vorerst nicht zu rechnen, der Julianfang war ja schon mal ziemlich regnerisch.

Doch auch der nichtrostende Rolls hat seinen Zweck erfüllt. Die Nobelkarosse im Ortszentrum zog die Blicke auf sich und wurde zum Gespräch. Bürck hat sich unterhalten mit den Gräfelfingern, über Reichtum, über Statussymbole und ihren Wert, auch über Automassen auf den Straßen. Kunst, die bewegt und zur Diskussion anregt. Manch einer pfiff jedoch auf die Kunst und wurde von einer ganz anderen Frage umgetrieben. Etwa, ob die auf dem Auto aufgebrachte Substanz giftig und damit gesundheitsschädlich sei. Die Sorge erreichte auch den Gräfelfinger Gemeinderat. Der Künstler kann beruhigen: Das Eisensulfat ist nicht giftig - anders als die Abgase, die aus jedem Auspuff qualmen.

© SZ vom 04.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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