Mitten in der Maxvorstadt:Schluss mit in die Röhre gucken

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Wenn die digitale Welt dem alten Röhrenfernseher den Garaus macht, kann man leicht in Nostalgie verfallen

Kolumne von Anita Naujokat

Was hat der nicht alles mitgemacht! Umzüge von Schwabing in die Maxvorstadt und innerhalb der Maxvorstadt, diverse Standortwechsel, Auslagerung nach einem (unverschuldeten) Wasserschaden, Übersommern in einem staubigen Lager. Und dass er überhaupt zu einem gekommen ist, war großer Beharrlichkeit zu verdanken, weil sein Vorgänger, ein angeblich nigelnagelneues Gerät, einen Dachschaden hatte, das nach der Werksreparatur noch schlechter funktionierte. So karrte man es wutentbrannt in den Laden zurück und forderte, nein, keinen komplett anderen Fernseher, sondern sein Geld zurück. In dem Großmarkt war das nicht üblich, doch letztlich ging man als Gewinner ohne neues Gerät mit dem vollständigen Kaufpreis wieder heraus.

Und erstand woanders jenen Fernseher. Das ist jetzt Jahrzehnte her. Und seitdem hat er einen treu begleitet. Und in jüngster Zeit musste er sich, der immerhin schon damals Teletext hatte, auch noch Schmähungen anhören bis hin zu Tipps von Freunden an den Partner, wie man heimlich doch mal an der Lebensdauer schrauben könnte. Denn der gute alte Röhrenfernseher lief und lief und lief, auch wenn die zu empfangenden Programme im Lauf der Zeit immer weniger wurden. Bis jetzt. Und er würde immer noch laufen, hätte ihm nicht ausgerechnet die Technik den Garaus gemacht. Die Umstellung der Sender von analog auf digital bedeutete sein Aus, verfügte er doch noch nicht einmal über einen Anschluss für einen dieser Receiver.

Jetzt steht an seiner Stelle die neueste Generation derselben Marke, und doch vermisst man ihn. Gut, die Teletextseiten rattern jetzt nicht mehr mühsam herunter, sondern springen sofort auf, die Sprachsteuerung, die vielen anderen Funktionen. Doch erst mal die richtigen Tasten auf der doppelseitig bestückten Fernbedienung finden. Denn gedruckte Bedienungsanleitungen zum langsamen Annähern gibt es auch nicht mehr. Die digitale Welt nutzt leider kein Papier.

© SZ vom 31.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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