Mitten in der Maxvorstadt:Der Käfer frisst sich ins Gespräch

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Steckt der Asiatische Laubholzbock in Holzpaletten auf dem Josephsplatz? Die Stadtviertelpolitiker sind sich im richtigen Umgang mit dem Insekt uneins

Von Stefan Mühleisen

Von einem flotten Käfer kann keine Rede sein. Dem Vieh wird ein eher lahmes Wesen zugeschrieben. Dennoch reicht allein die Möglichkeit, er könnte sich in innenstadtnahe Gefilde vorarbeiten, vollkommen aus, Unfrieden in eine Stadtteil-Gremiumssitzung zu tragen. Es geht, wie könnte es anders sein, wieder einmal um den Asiatischen Laubholzbockkäfer (ALB).

Der fiese Krabbler, den viele schlicht ALBtraum nennen, verrichtet derzeit am südöstlichen Stadtrand und im angrenzenden Landkreis sein Zerstörungswerk. Noch weiß niemand, ob er seine Fühler Richtung Innenstadt ausstreckt. Im Bezirksausschuss Maxvorstadt frisst er sich allerdings schon jetzt in die politische Debatte. Mehr als eine halbe Stunde Sitzungszeit verschlang das Insekt. Die in Teilen emotionale Debatte hinterlässt das ungute Gefühl: Die Bürgerschaft ist offenbar gespalten, ob man dem baummordenden Getier nun achselzuckend oder per Dringlichkeitsantrag entgegentreten soll.

Zu Letzterem entschieden sich die Grünen, denn sie glauben, der Käfer könnte längst unter uns sein - versteckt in den Holzpaletten aus China, auf denen die Pflastersteine für den Josephsplatz gelagert werden. Die Fraktion wollte einen Beschluss erwirken, die Stadt möge "geeignete Maßnahmen zur ordnungsgemäßen Entsorgung" ergreifen. "Wenn etwas passiert, stehen wir wie die Deppen da", zeigte sich Antragsautor Richard Weiss alarmiert; eine Fraktionskollegin berichtete von Menschen im Vorort Neubiberg, die "weinend in den Vorgärten gestanden" hätten, weil ihre Bäume gefällt wurden. Doch die Mahnungen prallten an der Allianz aus CSU, SPD und FDP ab. Die vorsorgliche Behandlung der Paletten sei eine EU-Angelegenheit und wohl kaum Sache der Kommune, schon gar nicht des Stadtviertels - so die Replik. Der Dringlichkeitsantrag wurde abgeschmettert. War das klug? Schwer zu sagen. Kein Mensch weiß, ob der Killerkäfer uns nicht schon längst als Deppen dastehen lässt.

© SZ vom 16.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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