Mitten in der Au:Geläuterte Anwohner

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Das Angelusläuten der Mariahilfkirche stört einen Nachbarn. Er wird es ertragen müssen

Von Johannes Korsche

Die Läuterung ist im Christentum ja etwas sehr Wichtiges. Die Bibel ist voller Beispiele bekehrter Sünder. Manchmal passiert so eine Läuterung aber auch ganz nebenbei, wie ein Anwohner der Mariahilfkirche in der Au nun erfahren musste. Der stört sich am Glockengeläut der benachbarten Kirche - vor allem das Angelusläuten hat seinen Unmut auf sich gezogen. Morgens, mittags und abends ruft es zum Gebet. Unter der Woche beginnt der Tag dank dieser Tradition um 7 Uhr, am Wochenende um 8 Uhr. Zu einer Uhrzeit also, da so mancher am liebsten den gesegneten Schlaf verlängern würde. Da tröstet es ihn kaum, dass schon im Mittelalter das morgendliche Angelusläuten als Erinnerung an die Auferstehung Christi gedeutet wurde. Er denkt möglicherweise: Gut, der Heiland ist, nachdem er die Sünden der Welt auf sich lud, wiederauferstanden, aber muss auch ich deswegen in aller Herrgottsfrüh aufstehen?

Rechtlich ist das Angelusläuten kaum einzuschränken, wie das Referat für Gesundheit und Umwelt mitteilt. Es sei in die religiöse Praxis eingebunden und unterliege dem Recht auf Religionsfreiheit. Das bedeutet, dass der glockengeplagte Anwohner nur um ruhigere Zeiten beten kann. Dann hätte das Glockengeläut auf wundersame Weise und verschlungenen Wegen seinen Zweck erfüllt.

Anders wäre das beim "weltlichen Läuten", etwa dem stündlichen Uhrenschlag. Ist der zu laut, kann er "problemlos anhand der gültigen Immissionsrichtwerte beurteilt werden". Wäre der Stundenschlag zu laut, müsste er gedämpft werden. Wie auch immer: Die Lamellen am Kirchturm von Mariahilf sollen verstärkt werden. Das hat schon einmal bei Lärmbeschwerden geholfen. Bis dahin müssen sich die Anwohner wohl damit abfinden, dass es noch öfter laut sein könnte.

Es könnte aber auch noch schlimmer sein: Man stelle sich vor, es gebe auch noch das politische Läuten. Gefühlt jeden zweiten Sonntag nach Auszählung irgendeiner Landtagswahl ertönt eine Melodie, die von den neuen Mehrheitsverhältnissen kündet. Und für den Fall, dass irgendwann die Jamaika-Koalition steht, könnte man es mit einem Reggae-Geläut versuchen. Aber wie spielt man diese Musik auf Glocken?

© SZ vom 25.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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