Mitten in Berg am Laim:"O sole mio" in der Nase

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Der Fußgänger-Tunnel unter den Gleisen ist alles andere als eine Freude - die Nutzer reagieren darauf mit ganz unterschiedlichen Strategien

Kolumne von Jutta Czeguhn

Keine Frage, der Fuß- und Radwegetunnel unter den Gütergleisen in Berg am Laim ist der dreckigste der Welt. Wer ihn durchschreitet, für den ist der Tag in der Regel schon morgens gelaufen. Denn er fühlt sich, als sei er über eine Sondermülldeponie gelaufen oder habe ein Urinal durchwatet. Man muss kein Molekularbiologe mit neurowissenschaftlichem Faible oder ein hypersensitiver Parfümeur sein, um zu erahnen, dass dieser Gestank in der Nase ein Stimmungskiller ist. Zumal die Aussicht, dass man abends retour da noch mal durch muss, wirklich betrübt.

Selbst wenn DB-Bahnhofsreinigungsfachkräfte (oder sind es die städtischen?) dort unten - was selten genug vorkommt - mit Kehrmaschinen und Hochdruckdampfstrahlern zu Gange gewesen sind und den Tunnel mit viel, viel Chemie geflutet haben, ändert sich nichts. Das Ramadama verschlimmbessert die Situation sogar, denn der Tunnel scheint über Nacht alle seine Dreckschleusen zu öffnen. Es muss, irgendwo verborgen, eine rote Alarmleuchte geben, die ihm befiehlt, die Vermüllung nicht unter Niveau sinken zu lassen. Und das Niveau ist hoch.

Doch gibt es auch wehrhafte Menschen, die nicht täglich als depressive Pessimisten aus dem Tunnel auftauchen wollen. Sie entwickeln also Strategien: Da gibt es die auf Autonomie pochenden Raucher, die sich sagen, wenn schon Gestank, dann produziere ich ihn selbst. Und eine Kippe mehr oder weniger auf dem Boden, was macht das jetzt noch aus? Oder die verzweifelt rabiaten Radler. Sie schnallen sich einen Mundschutz vor und beschleunigen auf den wenigen hundert Tunnelmetern wie beim Tour-Finale auf den Champs-Elysees. Beinahe-Unfälle und Massenstürze werden da, sorry, als Risiko einkalkuliert. Viel seltener aber sind jene, die auf den Müll im Tunnel buchstäblich pfeifen und der Röhre auch ihre gute Seiten abgewinnen können, ihre erstaunliche Akustik zum Beispiel. Mit einem schallwellenverstärkten, gepfiffenen "O sole mio" im Ohr kann der Tag kommen. "Per l'aria fresca pare già una festa - Die frische Luft wirkt wie ein Fest". . .

© SZ vom 24.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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