Mitten in Berg am Laim:Gymnastik im Wartehäuschen

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Trambahnfahrer als Vorturner: Er zeigt, wie man auch aus kleinen Pausen etwas Nützliches machen kann

Von Sonja Niesmann

Dass langes Sitzen Gift für den Rücken bedeutet, ist hinlänglich bekannt. Man weiß auch, dass Bewegung die beste Medizin gegen Verspannungen ist. Öfters aufstehen soll der Büromensch, zum Kollegen ins Nachbarbüro gehen anstatt anzurufen, die Treppe nehmen statt den Lift. Es gibt nun aber Berufe, etwa das Fahren eines Busses, einer Straßen- oder U-Bahn, da verbieten sich spontanes Aufstehen oder isometrische Übungen auf dem Stuhl eher.

Neulich, an der Endhaltestelle der Tram 25 in Berg am Laim, stand ein Fahrer - allein im gläsernen Wartehäuschen, das ihn kein bisschen vor den neugierigen Blicken der bereits eingestiegenen Fahrgäste abschirmte, und zog seine Pausen-Gymnastik durch. Ging leicht in die Knie, kam wieder hoch, ging in die Knie, minutenlang. Gestrenge Fitnesstrainer hätten wahrscheinlich bemängelt, dass es weder ordentliche Kniebeugen waren noch diese "Wir setzen den Po tief nach hinten unten"-Übung. Aber es ist ja auch schwierig, Gymnastik sauber auszuführen, wenn man gleichzeitig mit weit ausgestreckten Armen eine Zeitung hält und liest.

Ja, erzählt der MVG-Mann dann locker und mit diesem niedlichen dänischen Lispel-S, das die Älteren noch von "Wünsch dir was"-Vivi Bach kennen werden, er mache das möglichst oft an den Endhaltestellen. Dehnen, strecken, in die Knie gehen. Offensichtlich entspannt das nicht nur den geplagten Rücken, sondern gibt auch einen gewaltigen Energieschub - so flott, wie die Tram anschließend zum Max-Weber-Platz düste.

Das könnte die Münchner Verkehrsgesellschaft glatt in ihr Leistungsprogramm aufnehmen: gemeinsame Endhaltestellen-Gymnastik. Ähnlich wie in China, wo sich viele Menschen auf dem Weg zur Arbeit an geeigneten Orten frühmorgens zum Tai Chi oder Qi Gong formieren. Das gibt Energie, entkrampft, vertreibt vielleicht sogar die Sprich-mich-bloß-nicht-an-Muffigkeit mancher Fahrgäste. Und man darf dabei auch (diese) Zeitung lesen ...

© SZ vom 14.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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