Minigolf:Wissenschaft auf Filz und Beton

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Mit Gefühl: Anne Bollrich will mit der deutschen Frauen-Nationalmannschaft den fünften WM-Titel in Folge gewinnen. (Foto: Claus Schunk)

Die deutsche Nationalmannschaft bereitet sich in Straßlach auf die WM in China vor. Die Titelverteidigung könnte schwer werden.

Von Marie Schneider, Straßlach

Bahn eins sieht auf den ersten Blick ganz einfach aus: eben, flach, keine Kurven und keinerlei Hindernisse. Doch Andreas Frank weiß es besser. Statt den Ball einfach gerade nach vorne zu spielen, lenkt er ihn gekonnt an den dritten Anker - so bezeichnen die Minigolfer die kleinen Schrauben an der Bande. Dort prallt er ab und rollt auf direktem Weg ins Loch. "Die Bahn ist ein bisschen abschüssig, das lernt man im Training. Deshalb muss man mit Bande spielen", erklärt der Minigolfer vom BSV 86 München. Er war am Wochenende Oberschiedsrichter bei einem Turnier in Straßlach und durfte die deutsche Nationalmannschaft begrüßen, die dort zur Vorbereitung auf die Weltmeisterschaft im Trainingslager war und mit ähnlichen Schlägen beeindruckte.

Zehn Tage lang zehn Stunden Training pro Tag

"Bei der WM in China wird es komplett neue Bahnen geben, die die Spieler nicht kennen. Deshalb wollte ich, dass sie auf einer Anlage trainieren, die nicht so bekannt ist", erklärt Nationaltrainer Michael Koziol. So suchte er sich einen Platz nicht weit von seiner Heimatstadt München, der seinen Spielern noch nicht bekannt war. "Die Anlage ist sehr gut verbaut und hat ein klassisches Profil. Außerdem haben wir hier eine Turnieratmosphäre, auch wenn wir außer Konkurrenz spielen", so Koziol. Neben den drei Mannschaften des BSV 86 München kämpften noch der MSK Olching, der BGC Neutraubling, der erste Münchner MGC, der MGC Bad Feilnbach sowie zwei Mannschaften der MGF Ottobrunn um den Münchner-Kindl-Pokal. Für den Nationaltrainer herrschten hier perfekte Trainingsbedingungen - bis auf die Vorbereitung: Nur zwei halbe Tage hatten die Spieler Zeit, die Begebenheiten der Anlage kennenzulernen und die einzelnen Bahnen auszutesten. "Wir hatten sehr wenig Training, aber dafür bin ich sehr zufrieden mit den Ergebnissen", freute sich Koziol nach dem Turnier. Vor der WM im Oktober in Zhouzhuang möchte der Coach aus München zehn Tage lang jeweils zehn Stunden trainieren, bevor es mit dem richtigen Wettkampf losgeht, je 18 Bahnen auf Beton und Filzbelag. "Bei der WM werden wir jeden Millimeter der Bahn kennen", berichtet Stefanie Blendermann, die im erweiterten Kader steht und schon an mehreren Weltmeisterschaften teilgenommen hat. Bei so langen Trainingseinheiten komme es insbesondere auf die richtige Verpflegung, ausreichende Pausen und genügend Schlaf an. "Das intensive Training erfordert eine gute allgemeine Fitness. Beine und Rumpf müssen stabil sein bei langem Stehen", fügt der Bundestrainer hinzu. Dafür sind die Spieler selbst verantwortlich. Neben dem Training im Verein erwartet Koziol daher regelmäßige Lauf- oder Radfahreinheiten von seinen Minigolfern, damit sie bei der WM auch auf lange Zeit konzentriert bleiben. "Jeder hält sich anders fit. Wie genau sie es machen, spielt für mich keine Rolle", erklärt der Trainer.

Für den Titel muss es jedoch reichen, denn den möchte Koziol in diesem Jahr verteidigen: Bei seiner sechsten WM als Bundestrainer könnte sich dies allerdings schwieriger gestalten als in den Vorjahren: "Schweden und Deutschland gelten immer als Favoriten. Wir haben zwei wichtige Spieler verloren und Schweden einen der besten Minigolfer dazugewonnen. Bei den Herren wird es also schwierig. Bei den Damen bin ich sehr zuversichtlich." Die Männer waren insgesamt acht-, die Frauen elfmal Weltmeister. Das meiste spiele sich in der Vorbereitung ab. Die Spieler müssen die Bahnen kennen, die richtigen Bälle auswählen und die besten Spuren finden. Dahinter steckt eine ganze Wissenschaft: der eine Ball hat eine raue Oberfläche, der andere ist ganz glatt, einer springt vom Boden ab, ein anderer bleibt nach dem Aufprall sofort liegen.

Sogar die Temperatur des Balles ist wichtig

Die richtige Temperatur der Bälle spielt ebenfalls eine Rolle. Dafür tragen die Spieler eine Art Socke mit sich, die sie in die Hose stecken, um die Bälle bei Körpertemperatur zu halten - dann rollen sie am besten. Um die Philosophie zu verstehen, sei insbesondere die Arbeit im Team gefragt, erklärt Blendermann: "Manche kennen die Theorie sehr gut, andere sind in der Umsetzung besser. Da ist es wichtig, als Team zusammenzuarbeiten. Informationen über die Veränderung der Luftfeuchtigkeit oder der Temperatur müssen auch weitergegeben werden." Dabei entstehe ein familiäres Gefüge, das Blendermann zu schätzen gelernt hat. "Wir sind wie eine Familie, wir kennen uns schon seit Jahren", sagt die 36-Jährige und Teamälteste.

Sie investiert viel Zeit für ihren Sport. Um auf diesem Niveau mitzuspielen, gehe für Training und Turniere meist der ganze Jahresurlaub drauf. Aber für die Familie bringt man ja gerne große Opfer.

© SZ vom 07.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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