Millionen-Verluste der evangelischen Kirche:Ethisch korrekt verzockt

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Millionen durch Anlagegeschäfte verloren: Münchens evangelische Kirche. (Foto: Florian Peljak)

Münchens evangelische Kirche muss womöglich Immobilien verkaufen, um Millionen-Verluste aus geplatzten Anlagegeschäften auszugleichen. Stadtdekanin Kittelberger entschuldigt sich - und kündigt Konsequenzen an.

Von Franziska Brüning und Andreas Schubert

Das Evangelisch-Lutherische Stadtdekanat wird sich womöglich von Grundstücken und Immobilien trennen müssen, um den voraussichtlichen Verlust von 5,5 Millionen Euro wettzumachen. Das Geld hatte das Dekanat in vier mittelständische Unternehmen investiert, mit der Hoffnung, dadurch höhere Renditen als bei herkömmlichen Bankanlagen erzielen zu können. Doch die vier Unternehmen gingen insolvent, es droht der Verlust des gesamten Kapitals. Stadtdekanin Barbara Kittelberger räumte am Mittwoch Fehler ein: "Ich verspreche Ihnen, wir werden aus gemachten Fehlern Konsequenzen ziehen", sagte sie bei einer Pressekonferenz. Sie entschuldigte sich bei den Kirchenmitgliedern für den finanziellen Schaden. Die Liquidität des Dekanatsbezirks sei nicht gefährdet.

Ob die gescheiterten Investitionen personelle Konsequenzen haben werden, ließ sie aber offen. Bis zum Abschluss der internen Prüfungen Mitte Februar sei der zuständige Leiter der Abteilung Finanz- und Personalwesen im Kirchengemeindeamt, Andreas R., von seinen Funktionen entbunden, hieß es. Außer ihm sei nur noch der Leiter und Geschäftsführer des Kirchengemeindeamtes, Heinz W., in die "strategische Abstimmung" der Vermögensverwaltung involviert. Letzterer war am Mittwoch krank gemeldet und zu keiner Stellungnahme zu erreichen. Ohne konkreter zu werden sagte Kittelberger: "Der Geschäftsführer wird seine Verantwortung voll umfänglich übernehmen." Sie selbst sei sich ihrer Verantwortung als Aufsicht bewusst, sagte die Stadtdekanin, wollte aber auch nicht von persönlichen Konsequenzen sprechen.

Um welche Unternehmen es sich handelt, ließ sie ebenfalls offen, um, wie sie sagte, "diesen nicht weiter zu schaden". Die Firmen stammten aus den Bereichen Solar-, Wind-, Wasserenergie und Müllrecycling. Eines dieser Unternehmen, in das das Dekanat 500 000 Euro investiert hatte, war bereits im Juli 2013 pleite gegangen. Die restlichen drei folgten bis zum Ende des Jahres. 32 Millionen an Rücklagen verwaltet das Kirchengemeindeamt insgesamt. Der aktuelle Verlust beträgt demnach gut 17 Prozent davon. Nach der ersten Pleite hat das Dekanat reagiert und einen Anlagenausschuss ins Leben gerufen. Warum es zuvor keine sicherere Kontrolle über die Vermögensanlagen gab, sagte Kittelberger nicht. Der Finanzausschuss der Synode sei "in den grundsätzlichen Fragen" eingebunden gewesen.

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In der Hoffnung auf hohe Renditen hat das Münchner Stadtdekanat etwa 5,5 Millionen Euro in Energie-Unternehmen investiert. Doch die gingen insolvent.

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Derzeit hat die evangelische Landeskirche verbindliche Richtlinien, an denen sich auch das Stadtdekanat orientiert habe. Laut Johannes Minkus, Pressesprecher der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern, werden in diesen Richtlinien spekulative "Geschäfte mit unvertretbarem Risiko" ausgeschlossen. Das Vermögen soll "ertragbringend" angelegt und im "Einklang mit dem kirchlichen Auftrag" verwaltet werden. Das heißt jede Anlage sei an Kriterien ethischer, sozialer und ökologischer Art zu messen. Grundsätzlich sei im Artikel 81 der Kirchenverfassung festgelegt, dass das Vermögen der Kirche und der übrigen kirchlichen Rechtsträger "ausschließlich der Erfüllung der kirchlichen Aufgaben" diene und "gewissenhaft, pfleglich und wirtschaftlich" zu verwalten sei.

Barbara Kittelberger sieht keinen Verstoß gegen diese Regel. Sie betont, dass die Investments "konservative Anlagen der zweithöchsten Sicherheitsstufe" gewesen seien. Diese Richtlinien müssten nun konkretisiert und überarbeitet werden. Doch sie ließ die Frage unbeantwortet, warum die Vorgabe nicht eingehalten wurde, maximal bis zu 30 Prozent des Geldes in solche Firmen zu investieren. Tatsächlich beträgt der Anteil jener riskanten Anlagen 48 Prozent. Der Rest ist bei Banken angelegt, etwa in Festgeld.

Neben dem Dekanat hatten auch einzelne Kirchengemeinden in die jetzt insolventen Firmen investiert. Diese Gemeinden seien von den Verlusten aber nicht betroffen, so Kittelberger, das Dekanat hafte dafür. Ob auf die Gemeinden allerdings eine Art Umlage zukommen werde, um die Verluste auszugleichen, könne man erst nach dem Kassensturz sagen. "Ich weiß um den Vertrauensverlust und berechtigte Fragen", so die Dekanin.

© SZ vom 30.01.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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