Millionen-Defizit bei Kliniken:Ude kündigt "Konsequenzen" an

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Ein vertrauliches Papier zeigt: Die städtischen Kliniken wussten schon früh von ihrem Millionen-Defizit, doch die Verantwortlichen täuschten den Aufsichtsrat. OB Christian Ude kündigt Konsequenzen an. In Klinik-Kreisen wird davon ausgegangen, dass der verantwortliche Geschäftsführer gehen muss.

Dominik Hutter

Mehr als 40 Millionen Euro Miese machen die städtischen Kliniken in diesem Jahr - und keiner hat rechtzeitig etwas gemerkt? Von wegen, hat das städtische Revisionsamt nun bei einer Finanzprüfung in dem Konzern festgestellt.

Mehr als 40 Millionen Euro Miese machen die städtischen Kliniken in diesem Jahr. Das geht aus einer internen Prognoserechnung vom Februar 2011 hervor. (Foto: Johannes Simon)

Dem vertraulichen Papier zufolge war den Verantwortlichen seit langem bekannt, dass die Bilanz immer mehr ins Minus rutscht. Sie haben es nur nicht an den Aufsichtsrat und die Stadt München weitergegeben. Die allerdings hätten auch nicht kritisch genug nachgefragt, betont die Kontrollbehörde, deren Bericht der SZ vorliegt.

Offenbar hat die Klinik-Geschäftsführung systematisch zwei Prognoserechnungen geführt: eine interne, in der schon im Februar 2011 von einem Jahresdefizit zwischen 29,2 und 46,3 Millionen Euro die Rede war. Und eine für Stadt und Aufsichtsrat, denen lange Zeit ein deutlich niedrigerer Wert vorgegaukelt wurde. "Der angegebene mögliche Jahresfehlbetrag in Höhe von zwölf Millionen Euro war tatsächlich nie zu erreichen", stellt das Revisionsamt nach Auswertung der Zahlen für das erste Quartal 2011 fest.

Die Geschäftsführung habe in ihrem Bericht an Stadt und Aufsichtsrat ein Szenario verbreitet, "von dem die Mitarbeiter des kaufmännischen Geschäftsbereiches selbst nicht ausgingen".

Der Revisionsbericht, der am Donnerstag im Rechnungsprüfungsausschuss des Stadtrats vorgestellt wurde, soll am Montag im Klinik-Aufsichtsrat diskutiert werden. Dabei erhält auch der für Finanzen zuständige Geschäftsführer Franz Hafner Gelegenheit zur Stellungnahme. Oberbürgermeister Christian Ude hat nach dem Lesen des Papiers aber bereits "Konsequenzen" angekündigt - in Klinik-Kreisen geht man davon aus, dass Hafner seinen Posten verliert.

Spitz gekriegt haben die Revisoren das doppelte Spiel, indem sie die Monatsberichte an Stadt und Aufsichtsrat mit internen Excel-Tabellen des Konzerns verglichen. Diese Dateien waren auf einem USB-Stick gespeichert, den Klinik-Vorstandschefin Elizabeth Harrison an Ude weitergegeben hat.

Die im Februar 2011 eingestellte Managerin wollte damit ihren Verdacht belegen, dass Hafner schon im Mai 2010, also noch vor dem Skandal um verschmutztes Operations-Besteck, von einem Neun-Millionen-Jahresdefizit ausging. Das Revisionsamt fand denn auch "belastendes Material" auf dem Datenträger, "der Verdacht bestätigte sich".

Gesundheitsreferent Joachim Lorenz erhielt den offiziellen Mai-Bericht erst im September und auch nur auf Anforderung. In seiner Version waren allerdings nur 5,65 Millionen Minus fürs Jahr 2010 vorausgesagt. Der Stadt wurde also, so das Revisionsamt, "eine von den internen Unterlagen abweichende Hochrechnung vorgelegt". Tatsächlich landete das Klinikum zu Jahresende 2010 bei minus 24 Millionen Euro.

Kreativ ging es bei der Finanzplanung für 2011 weiter. Auf dem Datenträger Harrisons war folgende Rechnung vom Oktober 2010 enthalten: Das Defizit 2011 beträgt 11,4 Millionen Euro. Davon werden 7,8 Millionen Euro für erst noch umzusetzende Sparmaßnahmen abgezogen. Bleiben minus 3,6 Millionen - exakt die Zahl, die Hafner immer wieder publiziert hat. Das Dumme ist nur: "Leider wurde die Umsetzung der Maßnahmen nicht ernsthaft weiter verfolgt", stellt das Revisionsamt fest.

Harrison wusste nach eigener Auskunft nicht einmal von der Existenz eines solchen Katalogs - eine Aussage, die vom Chef des klinikinternen Controllings wie auch der nach dem Hygiene-Skandal eingesetzten Interims-Geschäftsführerin Birgitta Köbach bestätigt wird. Allerdings habe die Vorstandschefin auch nicht danach gefragt.

Tatsächlich, so bestätigte der Controlling-Chef, war bereits in den ersten Planungen für 2011 ein Minus von rund 30 Millionen für möglich gehalten worden. Harrison selbst bekräftigt in ihrer Stellungnahme immer wieder, lange Zeit nichts vom Ausmaß der finanziellen Schieflage gewusst zu haben. Im Bericht des Revisionsamtes findet sich kein Hinweis, dass dies falsch sein könnte.

Allerdings konnten die Prüfer Hafner nicht befragen. Er war im Oktober zunächst im Urlaub, dann krankgeschrieben und nun wieder im Urlaub. Offiziell. Nach SZ-Informationen hatte er am Donnerstag ein Gespräch mit Aufsichtsratschef Hep Monatzeder.

Auch dem Aufsichtsrat und dem Gesundheitsreferat war die finanzielle Talfahrt lange unbekannt. Nach Einschätzung des Revisionsamtes hätte der Aufsichtsrat aber seit Mai 2011 wissen müssen, dass Hafners Prognose nur zu erreichen war, wenn kräftig gespart wird. "Eine nachvollziehbare Kontrolle über die Umsetzung", so die Prüfer, hätten aber weder Geschäftsführung noch Aufsichtsrat oder Gesundheitsreferat vorgenommen.

Das Gesundheitsreferat habe zudem die Prognosen Hafners nicht kritisch genug hinterfragt, obwohl sie aus Expertensicht verdächtig optimistisch erscheinen mussten. Dies sei im Referat, wie eine Stellungnahme belegt, durchaus auch aufgefallen.

Der daraufhin erfolgte Tipp an den Aufsichtsrat, gründliche Informationen abzufragen, reicht aber nach Einschätzung des Revisionsamtes nicht aus. Das Referat hätte "noch deutlicher darauf hinweisen müssen, dass die Hochrechnung nicht plausibel und nachvollziehbar war". Dennoch war es die Lorenz-Behörde, die letztlich das Klinikum zur Darstellung sämtlicher Prognoseszenarien (Best Case/Worst Case) drängte und im Sommer 2011 erstmals nicht geschönte Zahlen ans Tageslicht förderte. Nur so, das bestätigt auch das Revisionsamt, sei bekanntgeworden, wie dramatisch die Situation tatsächlich war.

Denn nach außen hin habe die Geschäftsführung stets den günstigsten Fall vertreten. Und zusätzlich Änderungen vorgenommen, die "nicht plausibel" waren und darauf hindeuten, dass die Werte "angepasst wurden". Fazit des Revisionsamtes: "Damit war eine Kontrolle durch Externe nicht möglich."

© SZ vom 05.12.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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