Mietmarkt:Per Los zur Wohnung

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Das Tool für das Wohnungslossystem haben Daniel Vallés Valls (links) und Martin Staudacher entwickelt. (Foto: Nicki Schäfer)

Die städtischen Wohnungsbaugesellschaften Gewofag und GWG haben ein neues System eingeführt, um Mieter zu finden: Ein Programm wählt per Zufall Bewerber aus, die sich vorstellen dürfen.

Von Anna Hoben

Das Einkommen ist zu hoch für eine Sozialwohnung, aber die Mieten auf dem freien Markt kann man nicht oder kaum noch bezahlen: So geht es vielen Familien in München. Für sie hat die Stadt schon vor Jahren das Programm "München-Modell" entwickelt. Mit einem Berechtigungsschein, den das Wohnungsamt ausstellt, können sie sich für eine bezahlbare Wohnung bewerben. Eine dreiköpfige Familie zum Beispiel darf ein Bruttojahreseinkommen haben, das ungefähr 70 000 Euro nicht übersteigt.

Eine günstige Wohnung - 99 Quadratmeter im neuen Quartier an der Hochäckerstraße in Perlach kosten zum Beispiel 963 Euro kalt - hat man mit dem Schein aber noch lange nicht sicher. Ende 2017 gab es laut städtischem Sozialreferat 4067 Haushalte mit einer gültigen München-Modell-Bescheinigung, aber nur 1 976 entsprechende Wohnungen. Mehr als die Hälfte der Berechtigten sind also noch nicht zum Zug gekommen. Die Bewerberzahlen sind mittlerweile so hoch, dass die beiden städtischen Wohnungsbaugesellschaften Gewofag und GWG die Vorauswahl der Bewerber nun per Los treffen.

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Die Gewofag stellt ihre München-Modell-Wohnungen auf dem Internetportal Immobilienscout24 ein, zwei Wochen lang können Berechtigte sich bewerben. Am 14. März zum Beispiel standen neun Wohnungen online, auf jede davon hätten sich innerhalb eines Tages 250 bis 360 Interessenten beworben, berichtet Gewofag-Sprecherin Sabine Sommer. Etwa die Hälfte davon hatte keinen gültigen München-Modell-Bescheid, übrig blieben immer noch 120 bis 180 Bewerber.

Zu viele, um alle Bewerbungen effizient zu bearbeiten, sagt die Gewofag, zu viele, um objektiv auszuwählen. Dass deshalb nun ein automatisiertes Verfahren entscheidet, wer in die engere Auswahl kommt und die Wohnung sehen darf, geht auch auf einen Stadtratsbeschluss vom vergangenen Juni zurück.

Bislang führte die Gewofag Vormerklisten. 642 München-Modell-Wohnungen hat sie im Bestand, im vergangenen Jahr hat das Unternehmen 98 solcher Wohnungen vermietet. Der Arbeitsaufwand mit den Wartelisten sei hoch gewesen, oft habe sich die Belegung verzögert, so Sommer. Wenn eine Wohnung frei wurde, schrieb der Hausverwalter die Interessenten mit dem Angebot an. Häufig waren sie in der Zwischenzeit allerdings umgezogen oder nicht mehr berechtigt, oder aber die angebotene Wohnung war zu klein.

Oft sind die Wohnungsangebote nach wenigen Minuten wieder offline

Nun können sich die Suchenden selbst auf die Wohnungen bewerben. Nach Ende der Zwei-Wochen-Frist wählt ein Programm auf Knopfdruck unter den berechtigten Kandidaten fünf aus, die einen Besichtigungstermin erhalten. Sie werden per Email informiert und können einen Termin wählen. "Alle Bewerber haben die gleichen Chancen", sagt Gewofag-Geschäftsführer Klaus-Michael Dengler. Erst wenn es danach immer noch mehrere Interessenten gebe, werde nach Dringlichkeit entschieden. Den Vorzug bekommt dann zum Beispiel, wer etwa wegen einer Eigenbedarfskündigung von Wohnungslosigkeit bedroht ist, wer mit seiner Familie in einer viel zu kleinen Wohnung lebt oder wer aus Alters- oder Krankheitsgründen dringend umziehen muss.

Das Tool, das nun bei Gewofag und GWG die automatisierte Vorauswahl übernimmt, hat das Münchner Startup Wohnungshelden entwickelt. Im Werk 1 am Ostbahnhof haben die beiden Gründer Daniel Vallés Valls und Martin Staudacher einen kleinen Raum gemietet. Im Jahr 2015 machten sie sich selbständig, mit der Idee, ein eigenes Immobilienportal aufzubauen. Eines, auf dem Angebote länger online stehen als oftmals üblich. "Das Problem ist ja, überhaupt an einen Besichtigungstermin zu kommen", sagt Valls - weil Anbieter die Wohnungen teils nach wenigen Minuten wieder herausnehmen.

Doch so richtig lief die Sache nicht; Valls und Staudacher wollten die Angebote exklusiv haben, doch die Anbieter wollten die etablierten Plattformen nicht verlassen. Heute konzentrieren sie sich auf Dienstleistungen für große Wohnungsunternehmen. Zum Teil managen sie den kompletten Mieterwechsel, von der Anfrage bis zum Vertrag. Neben München sind sie in Berlin, Jena und Hamburg aktiv, demnächst in Wien.

Nicht jeden kann das neue Losverfahren für München-Modell-Wohnungen allerdings überzeugen. Wo denn da die sozialverträgliche Zusammenstellung bleibe, fragt eine Interessentin, die sich beworben hat. Eine solche Wohnung zu ergattern, gleiche nun fast einem Sechser im Lotto. Die Gewofag verweist darauf, dass das Verfahren fair, transparent und schnell sei - und die Bewerber per Mail über jeden Schritt informiert würden. Mit dem Losverfahren habe sich auch die Kundenfreundlichkeit verbessert - "vor allem verglichen mit anderen Anbietern, die oft nicht einmal auf die erste Anfrage antworten".

© SZ vom 27.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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