Michaela May wird 60:Weg vom Münchner Image

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Sie war als Kommissarin, als Richterin, als Gräfin zu sehen, hat in "Monaco Franze" und "Kir Royal" mitgespielt - aber das ist nur die eine Seite von Michaela May. Die Schauspielerin hat auch ein Yoga-Buch geschrieben, ist ein Jahr mit dem Bus durch Afrika gefahren. Heute wird sie 60 Jahre alt.

Sabine Buchwald

Riesige Lettern formen die Worte "Willkommen auf meiner Website". Sie blinken auf: Vier Mal, dann ist der Blick frei auf Michaela May, die mit ungewohnt kurz geschnittenem Haar, großen Augen und offenem Lachen, so wie man sie kennt, breitbeinig auf einem Plexiglas-Stuhl sitzt. Das durchsichtige Material soll wohl sagen: Diese Frau ist modern. Die hochhackigen Riemchenschuhe zeigen: Diese Frau ist sexy. Das schwarze Oberteil mit dem großen, runden Ausschnitt könnte bedeuten: Diese Frau ist grazil wie eine Ballerina.

Am Sonntag wird sie 60 Jahre alt: Michaela May. (Foto: dpa)

Es braucht ein paar Klicks, bis man herausfindet, dass dieser Internetauftritt zuletzt im Juni 2008 geändert wurde. Er ist also nicht ganz auf dem letzten Stand. Michaela Mays Yoga-Buch, für das sie hier wirbt, ist vergriffen. Dass sie 2011 den Bayerischen Verdienstorden bekommen hat für ihr jahrzehntelanges Engagement in Sachen Mukoviszidose, erfährt man nicht und auch nichts vom Römerorden, den sie vor ein paar Wochen in Neusäß umgehängt bekam.

Aus Mays Biografie aber ist herauszulesen, dass die Münchner Schauspielerin vor 60 Jahren geboren wurde. Und deshalb darf man auf Vermittlung ihrer Agentur an einem sonnigen Vormittag zu ihr nach Hause kommen zum Gespräch. An ihrem runden Geburtstag am 18. März wird sie in Australien sein. So ist es jedenfalls geplant vom Sender n-tv, für den sie vom Ayers Rock und von den Weinanbaugebieten im Westen des roten Kontinents berichten soll.

Michaela May wohnt unweit der Isar, am Rand des Glockenbachviertels, in einer Maisonette-Wohnung, durch deren Fenster der Blick über die Ziegeldächer Münchens bis zum Turm des Heizkraftwerks reicht. Geschützt von Grünpflanzen, bedienen sich auf ihrem Balkon Vögel fleißig an Körnern. Das große, graue Ecksofa im Wohnbereich dient der Gemütlichkeit, an den baumlangen Holztisch vor der Kücheninsel passen gut zehn Gäste. Ein modern eingerichteter Wohlfühlort wie aus einem Möbelkatalog.

Michaela Mays Mann, schlaksig und hochgewachsen, dickes grau meliertes Haar, öffnet die Tür, gießt noch den Tee auf und zieht sich dann in die unteren Räume zurück. Sehr diskret, professionell, fürsorglich. Für ein Frauenmagazin haben sich die beiden vergangenen Herbst gemeinsam geöffnet und über ihre Liebe gesprochen. Wie sie sich bei den Dreharbeiten für den "Polizeiruf 110" kennengelernt haben, einander immer näher kamen und schließlich ihre Partner verließen.

"Mich interessiert das nicht wirklich"

23 Jahre lang war Michaela May mit dem Vater ihrer Töchter Alexandra und Lilian verheiratet. Seit 2006 ist Bernd Schadewald ihr Ehemann. Natürlich fahre er mit nach Australien. Als sie das sagt, gewinnt das charakteristische Tief ihrer Stimme an Höhe, man hört Freude.

Auf ihre Internetseite angesprochen, fährt sie sich mit der Hand durch die Strubbelhaare. "Mich interessiert das nicht wirklich", sagt sie, dennoch habe sie jetzt einen Webmaster engagiert, weil es wohl dem Zeitgeist entspreche, dass man sich vernetze. Immer wieder wird sie auch auf ein "Showreel" angesprochen, ein Demoband für Castings, das sie aber nicht hat.

Mehr als fünfzig Berufsjahre liegen hinter ihr. Auf so einer Selbstdarstellung könnte sie als Kommissarin, als Richterin, als Gräfin zu sehen sein, in dem Inga-Lindström-Fernsehfilm "Frederiks Schuld" oder als Sophie Strohmayr im Heimatstreifen "Die göttliche Sophie", wo May ihren bayerischen Dialekt so breit einsetzen konnte. So wie am Anfang ihre Karriere, in den 70er und 80er-Jahren in Helmut Dietls "Münchner Geschichten", bei "Monaco Franze" oder "Kir Royal".

Michaela May hat bewusst einige Haken geschlagen, um von dem Münchner Image wegzukommen. Sie reist gerne, ist ein Jahr mit dem Bus durch Afrika gefahren, hat in Frankreich gelebt, in Hamburg, Berlin und viel auch auf Hochdeutsch gedreht. "Dietl war ein großer Sprung", sagt sie, und sie verehre ihn genauso wie Franz-Xaver Bogner, der sie als Effendis Freundin Marlene in "Irgendwie und sowieso" besetzte. Das ist Vergangenheit und Kult, doch davon kann man nicht leben.

Geschichten zu erzählen, das sei das eigentlich Schöne an ihrem Beruf, in den sie als Kind hineingeschlittert ist durch Werbeaufnahmen. Ihr erster Film war 1965 "Onkel Toms Hütte", dann spielte sie in "Heidi", damals noch als Gertraud Elisabeth Berta Franziska Mittermayr.

Die Jahre als Jungschauspielerin haben sie geprägt. Einsam fühlte sie sich damals. Obwohl sie am Set im Mittelpunkt stand, hatte sie bald den Anschluss an die Freunde verloren. Das passt nicht zu jemandem wie sie, die Nähe sucht und gerne Sorge trägt für andere. Deshalb sagt sie auch: Die schnelle Popularität für junge Menschen in Fernsehformaten wie DSDS halte sie für sehr gefährlich.

Sie hat trotz der frühen Erfolge Erzieherin gelernt. Vielleicht wäre sie schließlich Psychologin geworden, wenn die Schauspielerei nicht weiter gegangen wäre. Aber bis heute liegen Drehbücher auf ihrem Tisch, wenn auch nicht mehr ganz so viele wie früher.

Es gebe erfüllende Rollen in ihrem Alter, sagt sie, und denkt an Charaktere, wie sie etwa Elmar Wepper jetzt spielt. "Tür auf und her damit", Michaela May lacht auf. "Ich glaube, ich habe in meiner Palette noch ein paar Farben mehr", sagt sie. Das wisse nur nicht jeder, weil sie nicht alles preisgebe, was sie dünnhäutig und ihre Seele sensibel gemacht hat. Es gab viele Begegnungen mit dem Tod in ihrem Umkreis, und sie deutet auf die Teetasse vor sich: "Ich habe ein paar Brüche, die ich schauspielerisch umsetzen könnte."

20.000 Euro fehlen für die Produktion

Das Off-Off-Theaterstück, das sie derzeit mit drei jungen Kollegen am Heppel & Ettlich entwickelt, handelt genau von dieser Art Seelenkummer: Von dem, was bleibt, wenn man geht. 20.000 Euro fehlen für die Produktion, ein Sponsor wird dringend gesucht. Aber Michaela May ist zuversichtlich, weil sie glaubt, dass es ein gutes, zukunftsträchtiges Stück werden wird.

Positiv zu denken, scheint überhaupt eine ihrer Stärken zu sein. Wenn man die Mühsal nach außen trage, dann komme sie wie ein Bumerang zu einem zurück, sagt sie. Man müsse sich immer wieder kleine, neue Ziele stecken, den Lichtstrahl im Dunkel zu finden. Das klingt ein bisschen wie aus dem Mund einer Therapeutin.

Wenn sie von Yoga und dem allmorgendlichen "Sonnengruß", von der Freude am Bergsteigen und Radfahren erzählt, dann spricht die bodenständige Münchnerin aus ihr.

© SZ vom 17.03.2012/afis - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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