Messerattacke auf Vater:Eskalation eines Spielplatz-Streits

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Weil ihre Kinder auf dem Spielplatz aneinandergeraten, beschimpfen sich zwei Väter an der Wohnungstür. Die Situation eskaliert - und einer von ihnen zieht ein Messer. Nun muss er sich wegen versuchten Mordes vor Gericht verantworten.

Von Christian Rost

Es war ein Streit unter Kindern auf dem Spielplatz einer Wohnanlage in Aubing, der zwei Väter in Rage brachte. Zunächst beschimpften sich die Männer am Telefon, dann standen sie sich gegenüber - und einer der beiden Nachbarn zog ein Messer. Seit Donnerstag muss sich Sandro Z. wegen versuchten Mordes am Landgericht München I verantworten. Am ersten Prozesstag stritt der 46-Jährige jede Tötungsabsicht ab, er habe seinen Kontrahenten nur auf Distanz halten wollen, sagte er. Das Opfer beschrieb die Attacke indes als heimtückischen Angriff, den er beinahe mit dem Leben bezahlt hätte.

In der Wohnanlage trafen sich die Kinder fast täglich auf dem Spielplatz. Ein Elfjähriger stand dabei regelmäßig im Mittelpunkt, wenn es Tränen gab. Der Bub, so erzählte der Hausmeister der Polizei, sei oft übers Ziel hinausgeschossen. Im Streit schubste und trat er andere Kinder, und am 19. November 2012 soll er ein neunjähriges Mädchen sogar gewürgt haben. Als am Abend der Vater nach Hause kam, erzählte die Kleine von dem Vorfall. Daraufhin griff der 43-jährige Alexander M. zum Telefon, und als er Sandro Z. am Apparat hatte - die Familien kannten sich seit Jahren -, ging es gleich hoch her: Neben dem Würge-Übergriff des Buben war auch Thema, dass das Mädchen auf Serbokroatisch Schimpfwörter von sich gegeben hatte. Der Angeklagte forderte M. auf, sein Kind solle auf dem Spielplatz deutsch schimpfen, damit sich die anderen wehren könnten. Diesen Anflug von Rassismus wollte M. nicht hinnehmen. Es fielen die Worte "Arschloch" und "kleiner Wichser", ehe M. ankündigte, die Sache "von Mann zu Mann auf Bayerisch" klären zu wollen. Er legte auf und machte sich auf zum Nachbarn.

Was dann an der Wohnungstür des Hausmannes Sandro Z. passierte, davon gibt es zwei völlig unterschiedliche Versionen. Der Angeklagte sagte, plötzlich habe es an seine Tür gehämmert, und M. habe geschrien, er solle aufmachen. Der Nachbar habe auch noch heftig getreten, so Z., so fest, dass "mir die Tür ein wenig entgegenkam". Sofort habe er seine Kinder in ein Zimmer geschickt und aus einer Schachtel unter seinem Bett ein Messer hervorgeholt. Dieses 29 Zentimeter lange Jagdmesser habe er sich in die Jogginghose gesteckt. "Ich hatte Angst." Als er dann die Tür geöffnet und M. ihn gestoßen habe, habe er das Messer gezogen und schützend vor seinen Oberkörper gehalten. Nach einem Gerangel sei M. dann um Hilfe rufend im Aufzug verschwunden. "Erst danach entdeckte ich einen Blutstropfen am Messer und wischte es ab", sagte Z. Er könne sich nicht daran erinnern, dass er seinem Kontrahenten Schnittverletzungen zugefügt habe. Der Vorsitzende Richter Norbert Riedmann wunderte sich: "Wie kam das Messer aus ihrer Brusthöhe hoch zum Hals des doch deutlich größeren Opfers?" Z. schüttelte den Kopf: "Das weiß ich auch nicht, wahrscheinlich hat M. beim Gerangel an meinem Arm gerissen."

Der IT-Systemtechniker M. erlitt vier pulsierend blutende Schnittwunden am Hals, die genäht werden mussten. "Hätte er einen Zentimeter weiter geschnitten, wäre ich nicht mehr da", sagte M. Er habe auch weder gegen die Tür gehämmert noch getreten. "Viermal habe ich geklingelt und gerufen, dass er aufmachen soll. Dann öffnete sich die Tür, ich sah nur etwas blitzen und spürte etwas Warmes am Hals. Blut." Nach dem Angriff sei er zu Boden gegangen. "Z. stand über mir mit irrem Blick und zog das Messer in Kreisen durch die Luft." Dabei habe er komische Zischlaute von sich gegeben. M. flüchtete in Panik in den Aufzug und schrie: "Hilfe, der will mich umbringen."

Die Polizei stellte in der Wohnung des Angeklagten eine Sammlung von sieben nicht haushaltsüblichen Messern und etliche Fachmagazine zu Kampf- und Einsatzmessern sicher. Sandro Z., der als Survivaltrainer in Südamerika gearbeitet hatte, sagte, sein Interesse an Messern sei rein ästhetischer Natur. Der Prozess wird fortgesetzt.

© SZ vom 11.10.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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