Meine Woche:Von der Wurzel bis zur Krone

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Michael Brunner untersucht Bäume auf ihre Standfestigkeit. (Foto: Catherina Hess)

Michael Brunner und seine Mitarbeiter im Baureferat untersuchen Bäume auf ihre Standfestigkeit

Von Berthold Neff

Die Aufregung ist meistens groß, wenn die Motorsäge ihr Werk beginnt und einen Baum fällt, den die Nachbarn lieben, weil sie schon als Kinder unter seinem Schatten gespielt haben. Aber es hilft ja nichts, "wenn er morsch ist, muss er weg", sagt Michael Brunner, Abteilungsleiter für Grünflächenunterhalt im Baureferat. Der Diplom-Ingenieur für Landespflege macht sich keine der Entscheidungen leicht, wenn es darum geht, ob ein die Straße oder gar das Viertel prägender Baum gefällt werden muss.

In diesen Tagen muss der 62 Jahre alte Experte häufig nach dem Rechten sehen. Zwei Wochen noch haben Brunner und seine insgesamt 450 Mitarbeiter Zeit, kranke Bäume zu fällen, die einem Sturm nicht mehr widerstehen könnten und dann Menschen gefährden würden. Solche Fällarbeiten oder auch massive Baumschnitte sind nur in der Zeit zwischen dem 30. September und dem 1. März erlaubt. Nur dann ist gewährleistet, dass diese Arbeiten das Nisten und Brüten der Vögel nicht stören.

An diesem Montag beginnen Brunner und seine Leute damit, 26 Bäume im Englischen Garten umzusägen, die der neuen Spur an der Ifflandstraße weichen müssen. Diese Bäume fallen nicht einem Pilz oder einer sonstigen Krankheit zum Opfer, sondern dem menschlichen Drang zur Fortbewegung. Der Englische Garten ist zwar Revier der staatlichen Schlösser- und Seenverwaltung, aber Brunners Leute rücken hier an, weil es sich um ein städtisches Bauprojekt handelt. So war es auch bei den beiden Platanen am Sendlinger-Tor-Platz, die gefällt werden mussten, weil sie dem geplanten U-Bahn-Zugang an der Sonnenstraße im Wege standen.

Meistens aber rücken die städtischen Holzfäller aus, um kranke Bäume zu entfernen. In dieser Woche zum Beispiel eine Robinie, die seit etwa 40 Jahren in einem Hochbeet am Stachus wächst und mit ihrer Kraft am Ende ist. Sie steht auf der Verkehrsinsel vor dem Hotel Königshof und ist wegen eines Pilzbefalls stark angefault. Eine Robinie muss auch im Vorhof des Pasinger Rathauses fallen, deren Wurzeln morsch geworden sind. "Dass hier etwas faul ist", sagt Michael Brunner, "merkt man daran, dass der Baum einen Elefantenfuß bildet, sich also von außen zu verstärken versucht, weil er im Inneren hohl ist."

Es ist ein Leben und Sterben in der Natur, und für die 1300 Bäume, die in dieser Fällperiode verschwinden, werden neue gepflanzt. Etwa 40 der Bäume, die krank waren, meist große, prägende Exemplare, hat Michael Brunner persönlich untersucht, bevor er sein Urteil fällte. Manchmal tut es ihm im Herzen weh, wenn sein Urteil lauten muss, dass dieser Baum keine Chance mehr hat - etwa jene etwa 200 Jahre alte Buche am nördlichen Maximilianeum, die vom Pilz befallen war und direkt an einem Spielplatz stand. Aber immerhin: So ein Baum ist auch nach seinem Tod nützlich - wenn seine Hackschnitzel als Fallschutz für Spielplätze dienen.

© SZ vom 15.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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