Mein Name, mein Tag:Von Wasser zu Wein

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Jésus Zendejas. (Foto: Alessandra Schellnegger)

24. Dezember: Jésus Zendejas

Von Franziska Gerlach

Geht auf einer Party der Alkohol aus, kommt es schon mal zu Sprüchen. "Kannst du nicht Wasser in Wein verwandeln - bei dem Namen?" Ja, bei dem Namen. Nach sechs Jahren an der Isar hat sich Jésus Zendejas (Foto: Alessandra Schellnegger) an Scherze wie diesen gewöhnt. Sein Namenstag? "Oh", sagt der 33-jährige Mexikaner, "ich glaube, im Sommer". Der 24. Dezember ist es jedenfalls nicht, der ist Adam und Eva, Constanzo und Hanno vorbehalten.

Dennoch ruft der Gedanke an den Heiligen Abend prompt das Bild des kleinen Jesus Christus in der Krippe hervor, vor dem die Heiligen Drei Könige auf die Knie fallen. Der Name geht auf das hebräische Jehoschua zurück, das Matthäus-Evangelium stellt Bezüge zum Verb "retten" her. Als wissenschaftlich gesichert gilt das zwar nicht. Fakt ist jedoch: In Deutschland ist es erst seit 1998 erlaubt, sein Kind wie den Sohn Gottes zu nennen. Das findet Jésus Zendejas seltsam. In Mexiko, überhaupt in Lateinamerika, ist sein Name recht geläufig, wie etwa Christian bei uns. Sein Vater heiße Jésus, sagt Zendejas, in Mexiko sei es Tradition, den erstgeborenen Sohn nach dem Vater zu taufen. Überhaupt, so scheint es, pflegt man dort einen unverkrampften Umgang mit dem Namen. Zum Beispiel ruft man "Jésus!", wenn jemand niesen muss. Nicht so anders als die Bayern also, die ja zuweilen ein zünftiges "Jessas!" von sich geben, auch wenn sie damit eher Erstaunen oder Ärger ausdrücken wollen.

Eines lässt sich bei Zendejas nicht aus dem Namen ableiten: übermäßige Religiosität. Aber wer es darauf anlegt, der entdeckt vielleicht Parallelen zum Leben des Wanderpredigers und zu seiner Sorge um verlorene Schäfchen. Denn nachdem Astrophysiker Zendejas im Zuge seiner Promotion zunächst nach unbekannten Sternen geforscht hatte, stellte er fest, dass ihn der bloße Blick ins Universum nicht erfüllt. "Ich wollte etwas mit Menschen machen." Heute unterrichtet der Mexikaner junge Flüchtlinge in Mathematik, nimmt sich ihrer Sorgen und Nöte an, beim gemeinsamen Kochen verjagt er die Einsamkeit, die einen in einem fremden Land überkommen kann. Auf die Schulter klopft er sich deshalb nicht, für Jésus Zendejas ist Nächstenliebe nichts Besonderes, sondern ganz normal, so wie sein Name. Er lacht, wie nur er es kann, fröhlich und ansteckend, lacht das trübe Winterwetter einfach weg. Aus Wasser zaubert er keinen Wein, und auch die Isar vermag er trockenen Fußes nicht zu überqueren. Partys aber - die sind sicher ein Heidenspaß mit ihm.

© SZ vom 24.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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