Mein Kiosk:Als Stammkunde in Buenos Aires

Von Peter Burghardt

Ohne den Zeitungskiosk des Vertrauens geht gar nichts in Buenos Aires, jedenfalls nicht für die verbliebenen Freunde der Tagespresse. Der kiosquero oder quiosquero ist nahezu so bedeutend wie ein gestor, ein Besorger, der bürokratische Engpässe meistert. Unser Mann stand praktisch jeden Tag ab vier Uhr früh an der Ecke unserer schönen Straße mit der an stinkenden und bunten Bussen reichen Avenida Las Heras. In München wäre er in Rente, aber nicht in Argentinien. Er trug in der Regel einen taubenblauen Staubmantel und besaß einen kleinen Ofen, den er im Winter des Südens (also jetzt) anknipste, sofern das Gerät funktionierte. Im wunderbar hartnäckigen Sommer wiederum schwitzte er deutlich weniger als sein deutscher Stammkunde, dem er jeden Morgen außer an Neujahr, Streiktagen und Feiertagen wie dem "Tag des Kioskmanns" die Blätter wie La Nación vor die Haustür legte. Am Monatsende beglich man in bar die Rechnung, die zuvor an eine Titelseite geklemmt war. Unser Kioskbesitzer wusste alles über Fußball, das Wetter und die Präsidentin und gehört zu den vielen Argentiniern, die man in Alemania jetzt vermisst

© SZ vom 27.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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