Mehr als eine Zwischenlösung:Spielraum für junge Entdecker

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An diesem Sonntag wird im Deutschen Museum ein neues Kinderreich eingeweiht. Das ist nur ein Provisorium, denn das alte Areal wird komplett modernisiert

Von Barbara Hordych

Den grundlegenden Unterschied bringt der sechsjährige Philip mit dem grauen Nummern-Sweatshirt auf den Punkt: "Zuhause habe ich auch eine Kugelbahn - aber die hier ist viel besser!" sagt er, während er auf der Galeriefläche im neu gestalteten Kinderreich des Deutschen Museums vor einer Steckwand kniet. Warum gefällt diese ihm so viel besser? "Meine zu Hause ist viel kleiner und steht auf dem Boden; außerdem kann ich sie nicht verändern. Die hier ist riesig und ich kann bestimmen, wie die Kugel rollt", sagt Philip, während er verschiedene Bauteile wie Holzprofile, Kunststoffröhren und Dübel so arrangiert, dass eine Bahn entsteht. Die Kunst besteht darin, dass das Gefälle groß genug ist, damit die Kugel rollen kann - aber nicht so groß, dass sie komplett aus der Bahn springt.

Selbst bestimmen, wo die Kugel lang rollt: Eigentlich eine schöne Umschreibung für das Konzept des Kinderreichs, das an diesem Sonntag, 5. Juni, mit einem großen Familienfest im Deutschen Museum eingeweiht wird (9-17 Uhr). Denn im Zuge der Modernisierung des Hauses wird auch die Kinder-Ausstellung im Untergeschoss bis 2019 komplett erneuert, weshalb dieses Areal momentan nicht mehr zugänglich ist. 200 00 Besucher, Kinder und Eltern, kamen bislang jedes Jahr ins Kinderreich - "da war es klar, dass wir nach einer Zwischenlösung suchen mussten", sagt Ralf Spicker bei einem Rundgang durch den neu gestalteten Bereich, der sich auf 600 Quadratmetern Fläche über zwei Ebenen verteilt. Er war bereits für das alte Kinderreich als Kurator zuständig und hat jetzt gemeinsam mit seiner Mitarbeiterin Vera Ludwig das Konzept für das Übergangs-Kinderreich entwickelt. Dessen Standort liegt gleich neben dem Eingang zum Bergwerk, beginnt hinter einer blauen Theke in der ehemaligen Abteilung Erdöl/Erdgas. Von dieser Zeit zeugt noch eine gigantische Rotary-Bohranlage, deren großer roter Haken einige Tonnen wiegt und über sechs Meter hoch ist, "dieses Riesentrumm konnten wir nicht vom Platz weg bewegen, und eigentlich passt es auch ganz gut hierher", sagt Spicker.

Aufmerksam beobachtet er die Kindergartengruppe, die an diesem Donnerstag noch vor der offiziellen Eröffnung an den verschiedenen Stationen des "Exploratoriums", des Entdeckerbereichs, spielerische Schritte in die Welt der Technik und Naturwissenschaften unternimmt: Da hängt die fünfjährige Mara mit den roten Turnschuhen zwischen zwei Seilen und dreht sich um sich selbst. Ob sie weiß, wofür die Seile eigentlich gedacht sind? "Nein", gibt sie nach einem kritischen Blick auf die seltsamen Rollen über ihrem Kopf zur Antwort, unbekümmert weiter hin- und herschwingend. Auch die Information, dass das Gebilde aus Seilen und Rollen einen Flaschenzug darstellt, beeindruckt sie nicht sehr. Aber das ist auch völlig in Ordnung so. "Die Kinder sollen sich beim Ausprobieren von ihren eigenen Interessen leiten lassen", sagt Spicker. Einer der lieb gewonnenen "alten Bekannten", die Riesengitarre aus dem ehemaligen Kinderreich, bietet dafür ein gutes Beispiel: Sie ist mit umgezogen, wurde nur mit einem roten Lackanstrich aufgefrischt. Natürlich soll man mit diesem Instrument Töne erzeugen - aber man kann auch herrlich in ihm herumkrabbeln. "Die Saiten sind von innen und von außen bespielbar; dabei können die Kinder Erfahrungen mit Schall und Klang machen - wer beispielsweise innen den richtigen Ton anschlägt, merkt, wie sein Zwerchfell vibriert", erklärt Spicker.

Die Freundinnen Pauline und Frida hat es derweil zum Spiegelkabinett gezogen: Sich an den Händen fassend suchen sie nach einem Weg durch das Labyrinth, was gar nicht so einfach ist. Denn der Spiegel trügt, zeigt Durchgänge, die keine sind, vervielfältigt stattdessen die Vorder- und Rückansichten der Freundinnen, wie sie kichernd feststellen. Auch eine der neuen Stationen, die sich Spicker und sein Team ausgedacht haben. Dahinter liegt der Optik-Tisch, der wiederum schon zur alten Ausstattung gehörte: Hier lässt sich das Licht mit Spiegeln umleiten oder mit einem Prisma in bunte Farben zerlegen. "Die physikalischen Erklärungen, warum das so ist, stehen nicht so im Vordergrund, es gilt vielmehr, das Phänomen selbst zu entdecken", sagt Spicker. Die Kinder sollten ruhig ihre eigene Vorstellung davon entwickeln, wie etwas zustande kommt.

Idealerweise erschließen sich die jungen Forscher gemeinsam mit Eltern, Großeltern oder sonstigen Erwachsenen die Gründe für das jeweilige Phänomen. Hilfestellung geben die Museumspädagogen oder kurze Erklärtexte auf einem Flyer. Wenn auch vieles neu ist, eines ist gleich geblieben: Die Drei- bis Achtjährigen dürfen nur in Begleitung Erwachsener ins Kinderreich - umgekehrt gilt für Erwachsene: Eintritt nur in Begleitung von Kindern.

© SZ vom 03.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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