McDonald's am Stachus:Tablett im Anflug

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Manch nächtlicher Gast verliert die Beherrschung in Deutschlands meistbesuchter McDonald's-Filiale. Erst vor einer Woche ist hier ein Mann tödlich verletzt worden. An dem rauhen Umgangston ändert diese Tragödie jedoch nichts. Ein Besuch im Morgengrauen.

Anja Perkuhn

Oft dauert es nur ein paar Sekunden, bis die Stimmung kippt. Vor einer Woche war das so, als im McDonald's am Stachus ein Streit eskalierte und ein Mann starb. Es gibt immer wieder mal Ärger in der deutschlandweit meistfrequentierten Filiale der Fastfood-Kette. Zum Beispiel auch an diesem Sonntag, kurz vor fünf Uhr morgens.

Manch nächtlicher Gast verliert hier schon mal die Beherrschung - in der McDonald's-Filiale am Münchner Stachus. (Foto: Robert Haas)

Um Cola geht es, die in einem Becher sein sollte aber stattdessen auf ein paar T-Shirts verteilt ist. Die große Filiale wirkt plötzlich sehr klein, als zwei Männergruppen aufeinanderprallen und durcheinanderschreien. Einer von ihnen wirft eines der roten Plastiktabletts durch den Raum, als ein paar Mitarbeiter sie trennen wollen. Ein anderer boxt aus Empörung gegen die Decke vom Untergeschoss. Einige verschlafene Gäste in der ersten Etage zucken zusammen, weißer Staub rieselt von der Decke.

Das Handgemenge ist ziemlich schnell wieder vorbei, der Filialleiter und seine Mitarbeiter beruhigen die Kontrahenten halbwegs und schieben sie durch die breiten Türen aus dem Laden. Der Streit genau eine Woche zuvor lief nicht so glimpflich ab: Ein 24-Jähriger und ein 41-Jähriger waren aneinandergeraten und handgreiflich geworden, der Ältere stürzte, wurde bewusstlos. Er starb am nächsten Tag im Krankenhaus. Um einen Burger und eine Frau war es gegangen.

Polizeisprecher Wolfgang Wenger erwähnte am Montag danach wieder die Sperrstunde, die seit 2004 in München aufgehoben ist. Im April erst hatte Münchens Polizeipräsident Wilhelm Schmidbauer in einer Rede zum Sicherheitsreport 2010 gesagt: "Ein direkter Zusammenhang besteht weiterhin zwischen Kriminalitätsentwicklung und Sperrzeitaufhebung", vor allem bei Delikten zur Nachtzeit würden örtliche Brennpunkte deutlich werden in und um Diskotheken, Clubs und Kneipen.

Am Stachus hat die Polizei vor 2005 etwa drei bis vier Körperverletzungen pro Jahr registriert, danach schwanken die Zahlen zwischen 14 und 27 jährlich. Beim McDonald's selbst waren es vier im Jahr 2005 im Vergleich zu elf im Jahr 2010. "Der Stachus ist aufgrund der verkehrsmäßigen Anbindungen ein zentraler Knotenpunkt", sagt ein Polizeisprecher. "Und wo viele Leute sind, kommt es auch vermehrt dazu, dass Polizei gebraucht wird."

Zweieinhalb Millionen Gäste pro Jahr hat die Filiale am Stachus. Das ist europaweit nicht mehr Spitze, deutschlandweit schon: Selbst die Filialen am Frankfurter Hauptbahnhof und Flughafen haben weniger. Viele Gäste kommen nach Sonnenuntergang. Oft kommen sie gerade aus einem Club und wollen noch weiterziehen - oder sie suchen schlicht eine Bühne. Als das rote Tablett fliegt und das Geschrei beginnt, drücken sich ein paar junge Frauen in kurzen, weißen Kleidchen mit ihren Burgern in der Hand noch schnell an den Männern vorbei.

"Dass ihr auch immer mittendurch müsst", schimpft ihr Begleiter halb ernst, halb lachend. Ein Grüppchen ausländischer Studenten zückt einen Fotoapparat, abwechselnd posieren sie vor der streitenden Gruppe, mal die Daumen erhoben in die Kamera grinsend, mal in Kampfpose.

Von dem Todesfall haben viele der Gäste bisher gar nichts gehört. "Wir machen uns keine Sorgen, oben kann man eigentlich immer in Ruhe sitzen und essen", sagt einer. Auch an diesem Wochenende wirkt das Fastfoodrestaurant bis zu dem Cola-Zwischenfall verschlafen. In einem Hauseingang direkt neben dem Eingang sitzen ein paar Jugendliche, einer von ihnen zupft auf einer Gitarre die ersten Akkorde eines Coldplay-Songs. Im Inneren gleichförmiges Brummen vor den Kassen, müde Augen, ein Mädchen schlummert friedlich mit dem Gesicht auf einem Tisch, gepolstert von ihrem halbverspeisten Burger. So ruhig sind aber nicht alle. "Ich habe schon Schiss, da reinzugehen", sagt eine junge Frau.

Sie sitzt ein paar Meter entfernt auf einem umgekippten Einkaufswagen und wartet auf ihre Freunde, die an der Kasse stehen. "Die Männer müssen sich nachts irgendwie immer besonders beweisen." Sie will noch etwas sagen, da kommt aber der junge Mann um die Ecke, der eine Viertelstunde zuvor mit der Faust an die Decke geschlagen hat. Er wolle sich nur vergewissern, dass alle Damen vorhin gemerkt haben, "dass das nicht so ernsthaft war, wie es ausgesehen hat", sagt er. Niemand antwortet. Er nimmt es als Zustimmung, grinst, verteilt ein paar Handküsse und verschwindet wieder in der Dunkelheit.

© SZ vom 08.08.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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