Mauern gegen den Krach:Gut abgeschirmt

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Nicht nur an Straßen und Schienen stehen Lärmschutzwände, auch andere Einrichtungen empfinden Nachbarn als störend

Von Melanie Staudinger und Marco Völklein

Etwas mehr als 840 Meter lang ist das Bauwerk, drei Meter hoch und in einigen Teilen bereits von Graffiti bedeckt. Gut eine Million Euro hat die Lärmschutzwand aus Aluminium-Elementen am Südrand des S-Bahnhofs Berg am Laim gekostet. Abgeschirmt wird damit eine Siedlung entlang der Truderinger Straße. Ruhiger sei es geworden seitdem, räumen die Bewohner ein. Aber bei einigen kam die Wand, vor gut drei Jahren errichtet, weniger gut an. In der einst als Siedlung für Bahnbedienstete errichteten Anlage wohnen noch immer viele Mitarbeiter der Bahn - und für manche ist die freie Sicht auf fahrende Züge wichtiger als der Schutz vor den Geräuschen.

Damit aber dürften die Eisenbahner in Berg am Laim eher die Ausnahme sein. Denn der Lärm beschäftigt die Münchner an vielen Orten, in fast jedem Stadtviertel gibt es Brennpunkte. Und zwar nicht nur, wenn es um Straßen oder Schienen geht, sondern auch um Kindergärten, Schulen, Baustellen oder wie zuletzt in Perlach um Flüchtlingsunterkünfte. Die dortige Lärmschutzmauer, die Nachbarn vor Gericht durchgesetzt hatten, machte sogar im Ausland Schlagzeilen. Die Anwohner störten sich am potenziellen Geräuschpegel der jungen Bewohner, die Stadt diskutierte über ihre Willkommenskultur.

Während der Schutz vor Verkehrslärm relativ klar geregelt ist, gibt es gegen Kinderkrach rund um Schulen oder Kitas kaum eine Handhabe. Geräusche aus einer Tagesstätte, so erklärt ein Sprecher des Planungsreferats, sind "stets als eine sozialadäquate, unvermeidbare und daher hinnehmbare Lebensäußerung von Kindern zu begreifen". Das heißt im Klartext: Wer sich nur über das Geschrei der Kinder beschwert, hat wenig Aussicht auf Erfolg. Anwohner greifen daher zunehmend auf eine Art Trick zurück. Offiziell stören sie sich nicht an der Kita, sie beschweren sich über den Verkehr, der entsteht, wenn Eltern ihre Söhne und Töchter mit dem Auto bringen und holen.

Die Stadt ist sich dieser Problematik bewusst und versucht, die Freiflächen möglichst nicht da anzusiedeln, wo auch Wohnungen sind. Eine Lärmschutzwand wird nie von vorneherein eingeplant, doch ein Konsens gelingt nicht immer, wie das Beispiel der Kindertagesstätte an der Sollner Herterichstraße zeigt. Dort musste die Stadt eine 2,50 Meter hohe Wand errichten, nachdem Nachbarn geklagt hatten. Sie befürchteten, dass es zu laut werden könnte, wenn die Kinder draußen spielen.

So sieht man, wenn man durch die Stadt geht, Lärmschutzwände in unterschiedlichen Größen, Farben und Formen, mal mit Graffiti besprüht, mal mit Solarzellen ausgestattet, mal gebogen und mal als große Glaswand oder als Wall. Eine der jüngsten Schallschutzwände etwa entstand östlich der Friedenheimer Brücke, wobei dort kein Gericht schlichten musste. Über Jahrzehnte hatte die Deutsche Post ihr Paketgeschäft in großen Hallen entlang der Arnulfstraße abgewickelt; dann ließ sie weiter südlich davon ein neues Verteilzentrum errichten. Auf dem nun frei gewordenen Areal entstehen Wohnhäuser. Damit die Anwohner nicht dem Lärm der Paket-Lkw ausgesetzt sind, wurde eine gut sechs Meter hohe und fast 200 Meter lange Schallschutzmauer errichtet. Und damit diese nicht als allzu störender Sperrriegel wahrgenommen wird, wurde ein Teil begrünt; an einem anderen Abschnitt haben Arbeiter Griffe zum Klettern angebracht.

Auch die Bahn hat - finanziert durch ein Sonderprogramm des Bundes - in den vergangenen Jahren an einigen Trassen neue Lärmschutzwände errichtet, unter anderem für 2,7 Millionen Euro entlang des Bahn-Südrings in Untergiesing, für 600 000 Euro in Freimann oder für 5,8 Millionen Euro in Gröbenzell im Münchner Westen.

Aber nicht nur Wände schützen die Anwohner vor Lärm, immer wieder lassen sich Architekten andere Lösungen einfallen. So werden Bürobauten entlang stark befahrener Straßen- oder Schienentrassen errichtet - in deren Lärmschutzschatten direkt dahinter entstehen Wohngebäude. So geschehen etwa im Arnulfpark nördlich der zentralen Bahnachse oder auch in der Parkstadt Schwabing, wo Bürohäuser westlich der A 9 die Wohnungen vor dem Lärm abschirmen.

Vor Jahren schon hat die Stadt außerdem ein Programm aufgelegt, mit dem sie die krachgeplagten Anwohner beim Kauf neuer Lärmschutzfenster unterstützen wollte. Doch in diesem Sommer zeigte sich dann: Das Förderprogramm dazu wird kaum genutzt. Für den Zeitraum von September 2013 bis September 2016 hatte die Stadt insgesamt 810 000 Euro zur Verfügung gestellt. Davon wurden aber nur etwa 140 000 Euro abgerufen. Tatsächlich hatten sich die meisten Anwohner lauter Straßen "bereits vor Einführung des Schallschutzfensterprogramms selbst vor den Lärmeinwirkungen geschützt", räumte Umweltreferentin Stephanie Jacobs damals ein.

Vielerorts ringen die Anwohner aber nach wie vor um einen besseren Schutz vor dem Lärm. Im Münchner Osten zum Beispiel entlang der A 94 nach Passau sowie im Westen an der Lindauer Autobahn, wo immer wieder für eine komplette Überdeckelung der Autobahn geworben wird. Denn vor dem Haus oder im Garten halten auch Fenster den Lärm nicht ab. Die Menschen wollen einen weitergehenden Schutz. Etwa eine Wand.

© SZ vom 16.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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