Manipulation am Tacho:Er hat an der Uhr gedreht

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Für Tacho-Manipulationen im großen Stil muss sich ein Ingenieur vor dem Landgericht München I verantworten. Bei der Dreistigkeit der Taten verschlug es selbst erfahrenen Kriminalbeamten den Atem.

Andreas Salch

Thomas St. galt als das "elektronische Gehirn" in der Szene. Er kennt sich aus mit der Software von Autos, das machte ihn zu einem gefragten Mann. Sein profundes Wissen nutzte der 41-jährige Ingenieur, der zuletzt im Münchner Osten als Kfz-Händler und freier Sachverständiger arbeitete, aber nicht nur für legale Geschäfte.

Prozess um Tacho-Manipulationen. Der angeklagte Gebrauchtwagenhändler und Kfz-Sachverständige Thomas S. begrüßt am Freitag im Gerichtssaal im Landgericht München I in München seine Rechtsanwälte Michael D. Pfefferl, (links) und Steffen Ufer. (Foto: dpa)

Nebenbei manipulierte er Tachos von Gebrauchtwagen - bis er Mitte März vorigen Jahres festgenommen wurde. Am Freitag saß Thomas St. im hellbraunen Anzug, gestreiftem Hemd mit gelber Krawatte und fahlem Gesicht auf der Anklagebank des Landgerichts München I. Bereits vor der Verhandlung hatten sich Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung darauf verständigt, eine Gefängnisstrafe von nicht mehr als zweieinhalb Jahren zu verhängen, sofern Thomas St. ein Geständnis ablegen würde. Der 41-Jährige räumte alles ein.

Die Staatsanwaltschaft warf ihm vor, in fast 60 Fällen die Tachostände von Gebrauchtfahrzeugen manipuliert zu haben, damit Händler die Autos zu einem weitaus höheren Preis wiederverkaufen konnten. Der Fahrzeugtyp, bei denen das "elektronische Gehirn" die Kilometerzähler frisierte, war Nebensache. Unter den von der Ermittlungsgruppe "Tacho" der Kriminalpolizei sichergestellten Pkw fanden sich vom Smart über Kleintransporter bis hin zum Ferrari oder Aston Martin alle Modelle. Die Münchner Fahnder waren von der Staatsanwaltschaft Kempten, die gegen einen russischen Autohändler ermittelte, auf Thomas St. aufmerksam gemacht worden. Im Frühjahr 2010 zapften sie sein Telefon an, und was sie hörten, verschlug ihnen die Sprache.

So etwas habe er in er fast dreißig Jahren Dienstzeit noch nicht erlebt, sagte der Leiter der Ermittlungsgruppe, Kriminalhauptkommissar Alexander Hartinger, bei seiner Vernehmung vor der 2. Strafkammer am Landgericht. Bei den Gesprächen zwischen dem Angeklagten und Kfz-Händlern sei es "immer nur um dieses Thema", die Manipulation von Tachos, gegangen. In den wenigen Monaten, in denen die Fahnder ihn überwachten, manipulierte der Münchner nicht nur Kilometerzähler. Er stellte auch als Kfz-Gutachter Gefälligkeitsgutachten aus. So bewertete er etwa einen Mercedes Benz Roadster, der tatsächlich nur rund 46 000 Euro wert war, mit 60 000 Euro. Das Fahrzeuge ging später für genau diesen Preis an einen Käufer aus dem Iran.

Durch die Tacho-Tricksereien sei jeder Pkw im Schnitt um rund 3600 Euro teurer verkauft worden, sagte der Ermittler. Thomas St., der sich überdies mit einem falschen Doktortitel schmückte, sei stets "absolut professionell" vorgegangen. Allein durch Tachomanipulationen von Thomas St. sei zwischen Herbst 2010 bis zu dessen Festnahme im März 2011 ein Schaden zwischen 350 000 und 500 000 Euro entstanden. Thomas St. kassierte für jede Manipulation zwischen 50 und 500 Euro. Andreas Salch

© SZ vom 21.04.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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