Luxus-Wohnturm "The Seven":Ganz oben

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Noch ist der Luxus-Wohnturm "The Seven" Großbaustelle, aber es zeichnet sich ab, dass er das Viertel verändern wird.

Sebastian Krass, Lisa Sonnabend und Beate Wild

Eine Fensterscheibe ist eingeschlagen. Im Treppenhaus hat ein Sprayer in schwarz-roten Buchstaben "Thief" an die Wand geschrieben - Dieb. Putz bröckelt von den Wänden, Schutt liegt auf dem Boden, ein Bauarbeiter hat seinen Mundschutz liegengelassen. In den rostigen Maschinen des ehemaligen Heizkraftwerks haben sich Tauben eingenistet. Dass hier in gar nicht allzu ferner Zukunft die teuersten Wohnungen der Stadt bezugsfertig sein sollen, ist im Moment kaum vorstellbar.

Und es ist im Moment auch noch schwer vorstellbar, wie sich dieses Bauprojekt ins Viertel rund um den Gärtnerplatz einfügen wird, wenn es dann Ende 2012, so zumindest der Plan, fertig ist. Denn The Seven, wie die Investoren es nach der Adresse Müllerstraße 7 nennen, ist eines der spektakulärsten Bauvorhaben in München. Die Luxussanierung von Gebäuden erreicht hier eine für diese Stadt neue Dimension. Auf dem 14 000 Quadratmeter großen Grundstück werden am Ende drei Gebäude stehen. Ein viergeschossiges Atrium mit gut 80 Wohnungen, ein Büro- und Gewerbekomplex mit einer Tiefgarage.

Und natürlich das Kernstück, der 56 Meter hohe Turm des ehemaligen Heizkraftwerkes, in dem etwa 25 Wohnungen des obersten Preissegments entstehen. 40 Prozent davon seien bereits verbindlich reserviert, sagt der Bauherr Jörg Scheufele, Geschäftsführer der in Oberhaching ansässigen Firma Alpha Invest. Eine davon ist für einen Quadratmeterpreis von 22000 Euro weggegangen - und das ist noch nicht der höchste Wert. Ganz oben erstreckt sich nämlich ein Domizil über zwei Stockwerke auf 700 Quadratmetern. Auch diese teuerste Wohnung Münchens hat bereits einen Käufer gefunden. Angeblich ist es ein Münchner Unternehmer, auf jeden Fall zahlt er noch mehr als die bisher kolportierten 14 Millionen Euro.

Jörg Scheufele steht auf dem Dach des Turms. Er hat den Mantel bis oben zugeknöpft, den Kragen hochgestellt und hält sich mit einer Hand am Geländer fest. In diesen Tagen ist es hier nicht nur kalt und zugig, sondern auch ziemlich rutschig. Scheufele schaut sich um: Frauenkirche, Gärtnerplatz, im Norden die Fußballarena, im Süden die Berge. "360 Grad München", sagt er. "Hier hat man alles, was ein Münchner Herz begehrt."

Unten spaziert Antje Rathsmann mit ihren beiden Kindern die Müllerstraße entlang. Sie blickt durch den Bauzaun. "Ich finde gut, dass hier etwas Neues entsteht", sagt die Anwohnerin. "Aber ich wünsche mir natürlich nicht, dass hier bald nur noch Maseratis und teure Autos herumkurven." Kurz darauf kommt Helga Ritter vorbei, sie lebt seit 27 Jahren im Glockenbachviertel. Angst vor den neuen Nachbarn hat sie nicht, allerdings vor steigenden Mieten. Und sie rechnet damit, dass sich das Flair des Stadtteils ändern wird. "Schwulenviertel, In-Viertel, wie geht es nun weiter?", fragt sie. Die Antwort kennt noch niemand. Wird der Turm ein Fremdkörper bleiben, eine Trutzburg der Superreichen? Schon möglich.

Investor Scheufele hat auf einem der grauen Clubsessel im Showroom an der Klenzestraße Platz genommen. Hier zeigen seine Firma und die Partner von der LBBW Immobilien eine Musterwohnung. Seinen braunen Mantel hat er über eine Lehne gelegt. Durch das große Fenster ist der Turm immer im Blick. Er kennt die Kritik an dem Großprojekt, er findet die Ängste, die es beim einen oder anderen auslösen mag, verständlich, aber letztlich unbegründet. "Es entstehen neue Wohnungen", meint Scheufele. "Diejenigen, die hier einziehen, vertreiben niemanden aus einer bestehenden Wohnung." Doch da macht er es sich ein wenig einfach.

Alexander Miklosy von der Partei Rosa Liste findet es zwar schön, "dass sich auch einige Leute aus dem Viertel im Turm eingekauft haben und dass es nicht nur ein Haus für Auswärtige wird". Und er ist auch weit davon entfernt, dem Investor Vorwürfe zu machen. "Bei dem Maximalpreis, zu dem die Stadtwerke das Grundstück verkauft haben, bleibt dem Herrn Scheufele gar nichts anderes übrig, als ganz hochpreisige Wohnungen zu bauen." Aber was das Große und Ganze, also die Entwicklung des Viertels, angeht, macht der Vorsitzende des Bezirksausschusses Ludwigsvorstadt-Isarvorstadt sich keine Illusionen. Natürlich werde der Bau "auf die Umgebung ausstrahlen", den Aufwertungsprozess, die sogenannte Gentrifizierung, noch weiter vorantreiben. Dann müssen sich wohl auch Frau Ritter und die anderen Anwohner auf weiter steigende Mieten einrichten.

Dennoch bleibt es merkwürdig still im Viertel. Es ist das gleiche Phänomen wie zuletzt bei den Nobelsanierungen des alten Arbeitsamts an der Thalkirchner Straße und der ehemaligen AOK an der Maistraße. Kein Protest ist zu vernehmen, niemand sammelt Unterschriften. Wozu auch, mag man einwenden. Die Gentrifizierung kann sowieso niemand aufhalten. Das stimmt vielleicht. Aber man könnte zumindest um Details ringen und seine Sorgen in die Öffentlichkeit tragen - so wie es viele Bewohner des Dreimühlenviertels im Moment versuchen. Ein paar hundert Unterschriften haben sie schon beisammen gegen die geplante Neubebauung des Rodenstock-Geländes an der Isartalstraße. Ihre Argumente sind teilweise etwas krude. Aber sie machen sich als Bürger dieser Stadt bemerkbar - es ist die erste derartige Initiative in München überhaupt.

Beim Turm an der Müllerstraße ist es der Bezirksausschuss, der ein paar Forderungen stellt. "Wir wollen, dass so viel Grün wie möglich erhalten bleibt", sagt Alexander Miklosy. Außerdem bestehen die Stadtteilpolitiker auf einem Durchgang zum Gärtnerplatz, durch das Gebäude mit der Sparkasse, um The Seven besser ins Quartier zu integrieren.

Zweimal im Jahr, so ist es im Kaufvertrag vereinbart, soll das Dach des Turms auch der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. "Aber", fürchtet Alexander Miklosy, "das wird nicht lang gut gehen. So groß, wie der Ansturm schon zuletzt bei der Nacht der Architektur war, wird die Belastung wohl zu groß für die Anwohner."

© SZ vom 05.02.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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